Roland Berger blamiert sich mit E-Mobilitätsstudie

„E-Mobilität: Deutschland bei Technologie Spitze!“ Diese Jubelschlagzeile der Beratungsfirma Roland Berger wäre eigentlich ein Anlass zur Freude, wenn die Wirklichkeit nicht ein anderes Bild zeichnen würde.

Gerade mit der Aufmerksamkeit der letzten Zeit um Fake News scheint das Ergebnis des Index E-Mobilität Q1/2017 (direkter Link auf das PDF) etwas irreführend. Die Studie, die gemeinsam von der Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen Aachen (fka) und Roland Berger erstellt wurde, listet die Länder und Industrien nach drei Kriterien: Technologie, Markt, und Industrie.

Indikatoren

Bei der Industrie liegt Deutschland weit abgeschlagen in der zweiten Hälfte des Feldes. Dieses wird dank der Produktionskapazitäten von China, USA und Japan angeführt. China hat mehr als ein Dutzend Elektrofahrzeughersteller, USA mit Tesla das reichweitenstärkste und mit der Gigafactory 1 auch nun die Batteriezellenmassenproduktion. Erst nach Südkorea kommt Deutschland auf den abgeschlagenen fünften Platz, noch vor Frankreich.

Anders das Bild zum Markt. Dort sind aus mysteriösen Gründen fünf Länder gleichauf: Frankreich, China, USA, Deutschland und Japan. Und das obwohl im Text der Studie selbst ein ganz anderes Bild gezeichnet wird.

Im Indikator Markt verzeichnet China einen sprunghaften Anstieg der Nachfrage und besetzt nun hinter Frankreich, welches bei ungleich geringerem absolutem Volumen einen höheren Marktanteil verzeichnen kann, den zweiten Platz. Dahinter folgen auf Platz drei die USA. Gegenüber dem letzten Betrachtungszeitraum hat sich der Absatz in China mehr als verdoppelt, während er in Deutschland und Frankreich um jeweils ca. 50 Prozent gewachsen ist. Auch Japan verzeichnete ein Wachstum im deutlich zweistelligen Bereich.

 

Wenig hilfreich ist, dass keine Zahlen vorgelegt werden, sondern nur Indikatoren ohne Maßeinheiten. Die erlauben es sogleich dem Roland-Berger-Ranking, dass Deutschland gleich in zwei der drei Indikatoren an der Spitze liegt: Markt und Technologie. Dabei ist das Technologieranking genauso mysteriös. Dort haben sowohl Deutschland als auch Frankreich denselben Wert: 2,8. Schlußfolgerung: Deutschland führt. Wie denn? Warum? Alles super?

Als Begründung für den Sprung Deutschlands an die Technologiespitze im Studienranking wird folgendes angeführt:

Grund hierfür ist, dass deutsche OEMs ihr Angebot an teil- und insbesondere vollelektrifizieren Antrieben nicht nur deutlich erweitern, sondern ihren Kunden darüber hinaus teils auch höhere Reichweiten bei gleichbleibenden Preisen bieten.

 

In deutschen Elektromobilitätsforen kam man aus dem Staunen nicht heraus. Das einzig relevante, (fast) vollelektrische Angebot eines deutschen Herstellers (BMW i3) ist nicht gerade durch Reichweite und günstigem Preis-Leistungsverhältnis in der Szene bekannt. Französische und japanische Hersteller, sowie natürlich Tesla, sind da einiges voraus.

Der Plugin-Hybrid

Liest man genauer, dann erkennt man dass ein wesentlicher Bestandteil des Rankings auf der Gewichtung von Hybridfahrzeugen liegt. Diese haben deutsche Hersteller en-masse im Angebot. In Verbrenner reingepackte Batteriepacks, Wiederverwertung von dem was man hatte, reiner Aktivismus. Nicht, weil sie an alternative Antriebe so stark glauben, sondern weil sie einzig und allein die Flottenverbräuche runter drücken wollen. Hybride, die eine Batterie und einen Motor haben (und man erspare mir die Diskussion ob der Motor dann direkt auf die Achse geht oder die Batterie lädt), werden in Testzyklen so gefahren, dass zuerst die Batterie leer gefahren wird, und dann der Motor antreibt. Das bequeme Ergebnis: die Emissionen sinken. Der einzige Schönheitsfehler ist, dass man in der Praxis das Fahrzeug so nie fährt.

Hätte Carl Benz so gedacht, wie das heutige Management deutscher Autobauer, dann hätten wir den Trab-in-Hybrid.

Trab-in-Hybrid
Der Trab-in-Hybrid. Nie gehört davon? Klar, Carl Benz war ja kein Trottel.

Schlussfolgerung

Man tut der deutschen Automobilindustrie und ihren Granden nichts Gutes, wenn man sie in falscher Sicherheit wiegt und einlullt. Das Silicon Valley geht bereits zu Melancholie über, was das Gefühl zu deutschen Autobauern betrifft.

„Wes Brot ich eß, des Lied ich sing!“

Roland Berger und fka haben hier einen Frontalcrash mit den wenig nachvollziehbaren Aussagen in ihrer Studie hingelegt. Und dieses Gefühl wird nicht nur vom Silicon Valley geteilt, sondern auch von einer breiten Öffentlichkeit und den Medien. Beweis gefällig? Dann sehe man sich die ZDF-Dokumentation „Das Märchen von der Elektromobilität“ an. Den Studienautoren wäre das auch nahezulegen gewesen. Die einzige Kategorie in der E-Mobilität, wo deutsche Hersteller momentan Spitze sind, ist beim Ankündigen von neuen Konzepten. Das üben sie aber auch schon seit Jahren.

UPDATE

Eine Studie des Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI: Energiespeicher-Moitoring 2016: Deutschland auf dem Weg zum Leitmarkt und Leitanbieter? vom 1. Dezember 2016 zeigt ein völlig anderes Bild. Deutschland ist in keinem der Felder führend.

fraunhofer-institut
Positionierung der im Kontext von „Energiespeichern für die Elektromobilität“ führenden Länder in vier Kategorien. Angegeben sind jeweils aus 30 Einzelindikatoren aggregierte Gesamtindikatoren (max. möglich erreichbar sind 25 Prozent je Kategorie). Die Farbgebung der deutschen Positionierung ergibt sich aus dem Rückstand zur jeweils führenden Nation (15 % = rot). (C) Fraunhofer Institut