Was nun? Sind Teslas Quartalszahlen nun schlecht oder doch gut?

Tesla kommt aus den negativen Schlagzeilen nicht heraus. So möchte man meinen, wenn man die deutschsprachige Presse liest. Zuerst ein neuer schwerer Unfall mit dem Autopiloten. Dann ein angeblich misslungener Aprilscherz von Elon Musk, der auf Twitter Teslas Bankrott verkündete. Dann das stetige Auf und Ab in den Berichten des Hoffnungsträgers Model 3, das einmal das beste Auto, dann wiederum die größte Gurke aller Zeiten sein soll. Und nun Produktionszahlen, die Teslas Ziele nicht erreichten.

Was nun?

Schauen wir uns dazu die Nachrichtenlage und die Hintergründe an. Auch die Frage ‚Cui Bono?‘ muss dabei immer im Hinterkopf gehalten werden.

Unfall

Ein tödlicher Unfall mit einem Tesla Model X im Autopilot Modus auf dem Highway 101 führte zu Befürchtungen, dass der Autopilot bei weitem nicht so sicher ist wie Tesla es verheißt. Das Fahrzeug krachte dabei in eine Betonsperre, die zwei Spuren voneinander trennte. Eine Fahrspur führte zu einer Rampe, die andere auf dem Highway weiter. Grund für die Fehlfunktion des Autopiloten scheinen dabei die missverständlichen Fahrbahnmarkierungen zu sein.

Mehrere Teslabesitzer haben seither den Unfall nachzustellen versucht, was nicht ganz ungefährlich und deshalb nicht geraten ist.

Dass das Ganze unmittelbar nach einem tödlichen Unfall mit einem selbstfahrenden Experimentalfahrzeug von Uber kommt, hat die Öffentlichkeit noch mehr sensibilisiert.

Tatsache allerdings ist, dass der Autopilot nichts anderes ist als ein Fahrerassistenzsystem. Und das wissen die Teslafahrer. Sie werden darauf hingewiesen, jederzeit die Kontrolle übernehmen zu können und aktiv mitzufahren.

Das hält Teslabesitzer nicht davon ab, die Grenzen des Autopilots zu testen. Im folgenden Video fährt ein Teslafahrer die Höhenstraße in Wien mit dem Autopiloten ab. Ohne Schluckauf und ohne dafür ausgelegt worden zu sein. Insofern sind die Möglichkeiten des Autopilot heute schon sehr erstaunlich fortgeschritten.

Aprilscherz

Glaubt man den deutschsprachigen Medien, dann hat Tesla-CEO Elon Musk mit seinem Tweet am 1. April den Rest von noch verbliebenen gutem Geschmack völlig über Bord geworfen. Er verkündete den Bankrott von Tesla:

Damit hat er scheinbar einen Nerv getroffen, weil das ein seit Jahren vorgebrachtes Argument der Tesla-Kritiker ist. Keiner will Tesla, Tesla macht seit Jahren Verlust, das kann nichts werden, Tesla steht vor dem Bankrott. Und gleichzeitig wundert man sich, warum Tesla soviel wert ist.

Man kann jetzt viel über Humorverständnis schreiben – und dazu weiß ich einiges als jemand der vor Jahren einen Kabarettpreis gewonnen hat und ein Satiremagazin herausgab – aber überrascht Elon Musks Humor die Leute nach wie vor? Es ist nicht mehr gänzlich unbekannt, dass Musk die Tesla-Modelreihen mit S, 3, X, Y bezeichnet und seit neuestem sogar Flammenwerfer verkauft.

Man nehme es was es ist: ein Aprilscherz. Und je mehr sich die Leute emotional angesprochen fühlen, desto besser ist er.

Qualität

Das beste jemals gebaute Auto! Das mieseste Graffelwerk seit Lada! Wer die Testberichte in den vergangenen Monaten las, kratzte sich am Kopf. Was nun? Die Antwort ist vielschichtig und hat sehr viel mit dem Qualitätsverständnis und Erwartungen der Tester zu tun.

Das Model 3 ist definitiv ein revolutionäres Fahrzeug. Es ist innen so aufgeräumt, dass es jedes andere Auto wie eine alte Dampfmaschine aussehen lässt. Kein Knopf, keine unnötige Armatur, kein Dashboard. Nur ein großer Bildschirm in der Mitte, über den alles gesteuert wird.

Was viele nicht verstehen ist, dass das Model 3 bereits als autonomes Fahrzeug ausgelegt ist. Eine Retusche des Fahrzeugs demonstriert das klar. Einfach das Lenkrad und die Pedale weg, und es sieht so aus.

Im Vergleich zu Fahrzeugen andere Hersteller erkennt man, worauf der Fokus hier gerichtet werden muss. Es handelt sich mit dem Model 3 um eine neue Kategorie von Fahrzeugen, wie sie auch GM nächstes Jahr mit dem Chevrolet Bolt einführen will: das lenkradlose autonome Auto.

Und damit werden traditionelle Qualitätskriterien wie Spaltmaße und Verarbeitungsgenauigkeit plötzlich weniger wichtig. Wichtiger ist das Vorhandensein und die Qualität der Selbstfahrtechnologie. Und selbst wenn es zu Unfällen im Autopilotmodus gekommen ist und kommen wird, und der Autopilot verbesserungswürdig ist, schon heute fährt der Autopilot um 40 Prozent besser als menschliche Fahrer.

Bei der Argumentation scheint vergessen zu werden, dass  es nicht mehr darum geht, wie schön das Zaumzeug verarbeitet worden ist und wie rassig das Pferd, sondern wie gut und zuverlässig der Motor funktioniert.

Heute hat kein anderer Automobilhersteller so viele Fahrzeuge mit dem Autopilot Hardware Kit 2 und einem so weit fortgeschrittenen Autopiloten in Kundenhänden. Die Vorwürfe und Entrüstungen der traditionellen Hersteller und deren Lakaien lenken nur vom eigenen Rückstand ab.

Produktionszahlen

Und zu guter Letzt die jüngsten Produktionszahlen im ersten Quartal 2018. Tesla berichtete die folgenden:

  • Model S: 11.730
  • Model X: 10.070
  • Model 3:  8.180

Insgesamt somit 29.980 Fahrzeuge. Von Bedeutung sind vor allem die Zahlen für das Model 3, von denen Tesla bis Ende des zweiten Quartals 2018 wöchentlich 5.000 Stück anpeilt. Die letzte Woche im ersten Quartal erreichte laut Angaben von Tesla 2.020. Angepeilt waren 2.500 Stück.

Hat Tesla somit versagt? Ja und nein. Ja, weil die eigenen Zielvorgaben nicht eingehalten worden sind und angesichts von 500.000 Vorbestellungen die Wartezeit für die hoffnungsfrohen Teslabesitzer länger wird. Nein, weil ein Produktionsanstieg sichtbar ist und er vergleichsweise super ist. Also wirklich super.

Und dazu schauen wir uns erst mal die ursprünglichen Teslaziele und die Konkurrenz an. Tesla hatte vor dem Beginn der Model 3-Vorbestellungen einen Produktionszeitplan angegeben, der anders aussah. Die Produktion sollte eigentlich erst Ende 2017 beginnen. Aufgrund des unerwarteten Erfolgs bei den Vorbestellungen zog Elon Musk den Produktionsbeginn um ein halbes Jahr vor. Damit liegt Tesla nach wie vor weit vor dem ursprünglichen Plan.

Auch macht Tesla etwas, was in der Industrie unüblich ist. Unternehmen wie GM oder Porsche bauen dutzende sogenannte Vorserienfahrzeuge zum Testen und Einspielen sowie Optimieren der Fertigungsstraße. Tesla ließ die ersten Fahrzeuge sofort an die Mitarbeiter als erste Kunden geben. Es gibt sozusagen keine ‚Vorserienfahrzeuge.‘

Tesla hat somit 9 Monate nach dem Start der Produktion bereits 10.000 Stück Model 3 produziert. Auf einer völlig neuen automatisierten Fertigungsstraße und mit dafür neu eingestellten Mitarbeitern.

Im Vergleich dazu hatte GM mit dem Chevrolet Bolt nach 9 Monaten gerade mal 1.000 Autos produziert. Auf einer existierenden Fertigungsstraße und mit einem eingespielten Team. GM brauchte insgesamt 15 Monate um den Chevrolet Bolt auf die anvisierten Produktionszahlen zu bringen. Kein Journalist schrieb darüber. Weil es als normal angesehen worden war.

Um das zusammenzufassen: Tesla hat mit dem Model 3 etwas geschafft, was GM als erfahrenen Autobauer nicht gelungen ist. Eine neue Fertigungsstraße mit neuen Mitarbeitern in Rekordzeit auf Rekordzahlen hochzufahren.

Und das ist die eigentliche Story.

Zuletzt: Der Megabonus

Gerade erst hörten wir vom Millionenbonus den Volkswagen-CEO Matthias Müller erhielt. 10 Millionen und mehr aufgrund der Rekordverkäufe, und das trotz Dieselskandal.

Zurecht sind die Leute empört. Zuerst der Betrug, dann der Stinkefinger an die europäischen Kunden, denen keine Entschädigung oder nicht mal eine Hardwarenachbesserung an den Fahrzeugen angeboten wird, und dafür wird das Management auch noch großzügig belohnt.

Auf der anderen Seite wird vom Tesla-Aufsichtsrat ein Megabonus in Milliardenhöhe für CEO Elon Musk verabschiedet, der nur dann in vollem Umfang zu tragen kommt, wenn das Unternehmen in zehn Jahren das zehnfache des heutigen Werts hat. Also von ungefähr 60 Milliarden Dollar auf 650 Milliarden.

Und hier wird klar, dass Tesla nicht wirklich verstanden wird. Das Unternehmen ist angetreten mit der Mission, die Welt rascher auch nachhaltige Energiequellen umzustellen. Elektroautos sind nur eine Komponente. Powerwall, Batteriefabrik, Ladestationsnetzwerk und Solarziegeln weitere.

Sind die Produktions- und Quartalszahlen somit schlecht? Im klassischen Sinne ja, vielleicht. Für die Ziele die Tesla anvisiert sind sie aber völlig auf Linie.

Ich würde mir hingegen Sorgen um die klassischen Autobauer machen. Die machen gerade Rekordgewinne. Aber für die Zukunft haben sie nichts konkurrenzfähiges in Vorbereitung was diese gewinnen könnte.

Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.

8 Kommentare

  1. …denke, die Hauptfrage ist, wieweit Tesla in Bezug auf das autonome Fahren mit Waymo und Mobileye/Intel mithalten kann – sehe da eher das Risiko?!

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  2. Warum sollten sich die Leute in Zukunft für Qualitätsanmutung nicht mehr interessieren, wenn sie es bis jetzt getan haben?

    In Richtung autonomes Fahren kommt mir Waymo/i-Pace glaubwürdiger vor als softwareseitig aufgepimpte Autopiloten in den aktuellen Teslas.

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  3. Das Autonome Fahren wird in Deutschland wahrscheinlich gar nicht erlaubt werden. Wie jedes neuer System unterliegt das autonome Fahren einer Strengen Betriebserlaubnisprüfung und diese kann sehr sehr lange dauern. Und sollte die Güterabwägung auf ein zu großes Risiko hindeuten bei zu einer Großen Risikovermutung, kann zu einem Verbot führen. Selbst die STVO sagt aus, dass der Fahrzeugführer jederzeit Kontrolle über das Fahrzeug haben muss. Hände am Lenkrad sind Pflicht.
    Selbst heute haben bereits wir viele Assistenzsysteme, Spurhalten, Radartempomat, autonomes Einparken, die das Autofahren erleichtern. Liest man die Betriebsanleitung werden mögliche Situationen aufgezeigt in den die Assistenten nur mangelhaft funktionieren und somit das wird die Leistung dieser Systeme stark relativiert

    Und zum Thema Qualitätsanmutung, wenn bei Tesla bei Unfällen (letzter Unfall Mai 2018, 2 Tote) die Fahrzeuge abbrennen, sich bei den Spaltmaßen die Finger abreissen kann, Fahrzeuge undicht sind, nach 3 Jahren Gebrauch Scharniere anfangen zu rosten, dann sehe ich andere Autohersteller deutlich im Vorteil. Für 60000 bis 120000 Euro erwarte ich ein Auto mit hochwertigen Innenleben und perfektem Äußeren. Tesla ist eher typische amerikanische Durchschnittsware. Warum wird das iPhone wohl nicht in den USA gebaut.

    P.S. Was passiert eigentlich wenn mehrere Autonome Autos aufeinander treffen, Stören sich dann die Radar und Ultraschall Sensoren gegenseitig ? Bisher hat man ja nur einzelne Autos im Individualverkehr getestet.

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    1. @prmac: Selten so viel Stuss auf einem Haufen gelesen. Keine Ahnung von der Materie haben aber einfach mal irgendwelche Behauptungen aufstellen. Herzliche Gratulation.

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