App-Store, Ridesharing & Co: Wie Tesla sein Geschäftsmodell ausweitet und der Börsenwert zukünftige Erlöse widerspiegelt

Wenn ein Aktienkurs eines Unternehmens seit Tagen eine Kursrallye durchmacht und seit Jahresanfang – in kaum mehr als 35 Tagen – sich verdoppelt hat, dann bewegt das die Gemüter und regt die Phantasie an. Die einen finden es spannend und sich in ihrem Glauben an das Unternehmen und dessen Produkte bestärkt, andere hingegen denken, dass die Welt nun endgültig verrückt geworden ist.

Die Rede ist natürlich von Tesla, das die vergangenen Tage tägliche Kurssprünge von 10 Prozent und mehr zu verzeichnen hatte. Ende Januar erst durchbrach der Aktienkurs die 100 Milliarden Dollargrenze, und lag damit höher als der von Volkswagen. Mittlerweile ist der Kurs bei 170 Milliarden Dollar angelangt, und wenn es so weitergeht, dann ist Tesla nur mehr ein paar Tage davon entfernt, Toyota als wertvollstes Automobilunternehmen zu überholen.

Tesla Aktienkurs am 4.2.2020 – Quelle: Yahoo! Finance

Die Gründe für diese Kursrallye und Bewertungen sind mannigfältig und oft genauso spekulativ wie der Kurs selbst erscheint, und viele Analysten zerbrechen sich die Köpfe darüber. Einer der Gründe scheint der sogenannte Short Squeeze zu sein, wo viele Spekulanten, die auf einen fallen Aktienkurs gesetzt haben, nun angesichts der so stark steigenden Aktien versuchen, ihre Verluste zu limitieren, und panikhaft Aktien kaufen – was wiederum den Aktienkurs hochtreibt.

Ich bin aber nicht der Aktienanalyst und mich interessiert das Spekulative auch nicht wirklich. Das ist meiner Meinung nach alles ziemlich unproduktiv und hilft der Menschheit nicht weiter. Diese mentale Energie könnte man meiner Meinung nach viel besser einsetzen.

Was mich mehr interessiert ist, wie Tesla in seiner Strategie scheinbar all die richtigen Schritte setzt, um zukünftige Erlöse zu generieren. Und zwar in einer Weise, die traditionelle Automobilhersteller und die Automobilanalysten nur wenig verstehen. Veranschaulichen möchte ich das mit folgendem Video:

Was so aussieht, als ob der linke Spieler dabei ist zu verlieren, weil er einen Stein nach dem anderen opfern muss, so geht die Strategie mit dem letzten Zug und verbliebenen Stein vollständig auf. Der linke Spieler nimmt dem rechten alle Steine weg und gewinnt.

Bei Tesla scheint es ähnlich zu sein. Seit Jahren macht das Unternehmen vor allem Verlust. Gleichzeitig aber wächst es bei den Umsätzen und den Produktionszahlen viel stärker, als die traditionellen Unternehmen, auch wenn beide im Vergleich zu den etablierten Unternehmen lächerlich gering erscheinen. Doch auch hier wird der exponentielle Effekt übersehen, den disruptive Technologie an den Tag legen. Was heute noch lächerlich klein erscheint, übernimmt dank der exponentiellen Wachstumskurve rasch alle anderen.

Exponentielle Technologieadoption in US Haushalten zwischen 1903 und 2019 (C) Visual Capitalist

Alles was verdient wird und noch viel mehr wird reinvestiert: in Forschung, Ladestationen, neue Modellserien, neue Fabriken, strategische Zukäufe von Robotikunternehmen. Und es beginnt sich auszuzahlen. Kein Konkurrent schafft es 8 Jahre nach der Vorstellung des Model S einen vergleichbares Produkt auf den Markt zu bringen.

Digitale Werte

Der Verkauf eines (Elektro-)Autos ist bei weitem nicht alles. Spannend wird es, wenn man über das physische Produkt hinweg sieht und sich die digitalen Services genauer ansieht. Denn da versteckt sich das bislang noch nicht vollständig ausgeschöpfte Erlöspotenzial, für das Tesla heute alle Weichen stellt. Für Analysten, die mit Internetunternehmen vertraut sind, ist das beileibe nichts Überraschendes. Automobilanalysten sehen aber nur das Auto und tendieren diese neuen digitalen Werte zu übersehen. Auch Mitarbeiter bei traditionellen Automobilunternehmen übersehen das leicht, ja ihnen ist gar nicht bewusst, was sie übersehen. So wie dieser Mercedes-Mitarbeiter, der ein Tesla Model 3 ein paar Tage probefuhr, und zwar dabei die physischen Eigenschaften des Fahrzeugs beschreibt, aber viele der digitalen auslässt, beziehungsweise gar nicht realisiert, dass es sie gibt.

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Von welchen digitalen Werten bei Tesla sprechen wir denn? Und wie können sie zu Erlösen führen?

Software Upgrades

Schon heute bietet Tesla gewisse Softwarefunktionen nur gegen Aufpreis an. Autopilot, Full Self-Driving, oder seit kurzem sogar den Acceleration Boost für das Model 3 Long Range sind nur gegen mehrere Tausend Dollar/Euro erhältlich. Diese Funktionen können entweder bereits beim Kauf des Autos erworben werden, oder zu einem etwas höheren Preis später. Der Acceleration Boost gibt es erst seit kurzem, und wer weiß welche Funktionen in Zukunft noch freischalten wird.

Supercharging-Infrastruktur

War das Laden an den Superchargern von Tesla für die ersten Tesla-Käufer noch gratis, so sind es heute nur mehr die ersten Tausend Meilen/Kilometer. Alles was darüber steigt, muss bezahlt werden. Allerdings zu wesentlich günstigeren Preisen, als bei Anbietern wie IONITY, die unlängst wegen ihrer drastischen Preissteigerungen ins Rampenlicht geraten sind.

Obwohl: bei Tesla gehen Abrechnungen nicht immer ganz problemlos, wie dieser Tweet einer Tesla-Besitzerin zeigt.

Tesla Versicherung

Vor einigen Tagen bin ich auch auf die seit einem halben Jahr angebotene Tesla-Versicherung umgestiegen. Und das vor allem, weil ich nun 30 Prozent weniger an Versicherung zahle. Damit beseitigt Tesla ein Hindernis, weil die bisherigen Versicherer wegen der Motorleistung und der wegen der vielen im Auto verbauten Sensoren bei Schadensfällen umfangreicheren Reparaturen teurer kamen. So zumindest sagen es die Versicherungen, denen vermutlich auch noch zu wenig verlässliche Daten des noch immer wenig verbreiteten Fahrzeugs vorlagen.

Mit der Möglichkeit, dass Tesla auf die von den Fahrzeugen produzierten Daten auch eine akkurate Einschätzung des Risikos eines Fahrers vornehmen kann, und wie oft der (sicherere) Autopilot eingesetzt wird, kann die Versicherungssumme auf den Fahrer optimiert werden, und nicht auf die Risikogruppe.

Ridesharing

Elon Musk hat sie bereits im Zusammenhang mit Robotaxis erwähnt, nun aber soll sie vorzeitig zum Einsatz kommen: eine Ridesharing-App. Der Fachblog Electrek berichtet darüber. Diese Funktion in der Tesla-App ermöglicht, dass man das eigene Auto problemlos als Ridesharing-Fahrzeug einsetzt. Für jede vermittelte Fahrt schneidet Tesla mit. Tesla verdient mit jeder vermittelten Fahrt, und das schon bevor die eigenen Autos als Robotaxis eingesetzt werden können.

Tesla App-Store

Auch den hat Elon Musk schon angeteasert, aber einmal da, könnte er die Erlöse für Tesla signifikant erhöhen. Bei Apps für Autos geht es nicht einfach nur um 2 oder 3 oder 10 Euro, die auf dem Smartphone so eine App kosten kann, hier lassen sich ganz andere Preisdimensionen vorstellen. Ein Modell, wo Tesla 30 und der programmiere der App 70 Prozent des Preises erhalten, und das vom App-Preis und den In-App-Käufen, kann Tesla alleine da jährlich hunderte Millionen oder sogar Milliarden bringen. Und das jahrelang, lange nachdem das Geld für das Auto geflossen ist.

Premium Connectivity

War die Internetverbindung in den Tesla-Fahrzeugen bislang gratis, so wird seit Ende 2019 das sogenannte Premium Connectivity-Paket angeboten. Wenn man es für 10 Dollar im Monat kauft, hat man dann auch aktuelle Verkehrslage in der Navigationskarte, Streamingservices und anderes verfügbar.

Alternative Benutzungsmodelle

Wohin die Reise unter dieser Schlagzeile gehen kann, zeigen Erfahrungen aus Japan. Mietwagenfirmen standen vor dem Rätsel, dass ihre Autos gemietet wurden, aber bei Rückgabe denselben Tachostand hatten, als bei der Abholung. Des Rätsel Lösung? Die Mieter hatten die Autos nie in Betrieb gesetzt und gefahren. Sie hatten im Platzarmen Japan einfach für ein paar Stunden einen Raum gesucht, in dem sich ungestört aufhalten und essen, lesen oder schlafen konnten. Billiger jedenfalls, als sich ein Hotelzimmer oder Co-Workingspace zu mieten.

Mit autonomen und elektrischen Autos ließen sich neue Verwendungszwecke für Autos ausdenken, die weit über eine Mobilitätslösung hinausgehen. So zeigt der Elektroautobauer Byton mit seinem Display Byton Stage, das die ganze Cockpitfront vereinnahmt, wie dieses für Videokonferenzen und Meditationen gebraucht werden kann – selbstverständlich im Parkmodus.

Verschwindende Erlösmodelle

Bei einem Elektroauto wie dem Tesla kann man nicht nur mit zusätzlichen Erlösmodellen rechnen, es gibt einige, die es bei Verbrennern gab, aber nicht mehr bei Elektroautos.

Wartung

Die Wartung ist so ein Thema. Was also Notwendigkeit bei Verbrenner begann, hat sich zu einem wichtigen Erlösmodell für Händler und Werkstätten ausgebildet. Bis zu 10 Prozent des Kaufpreises eines Autos kommt nochmals über die Jahre für die Wartung hinzu. Einkünfte, auf die ein Händler nicht so einfach verzichten will. Doch mit Elektroautos ist das vorbei. Tesla hat beispielsweise nicht mal einen Wartungsplan. Wie denn auch? Außer Reifentausch und nachzufüllendem Scheibenwischwasser gibt es nichts zu warten. Nicht mal die Bremsen sind auszutauschen, weil dank der rekuperierenden Funktion des Elektromotors beim Verlangsamen die Bremsen einfach weniger zum Einsatz kommen.

Beachtenswert ist hier die Kundensicht von Tesla. Das Unternehmen könnte einen Wartungszyklus vorschlagen und somit Werkstätten Umsätze zuschieben. Und die Kunden würden es vermutlich sogar als normal empfinden, weil sie das bei Verbrennungskraftfahrzeugen schon gewohnt waren. Doch Tesla schlägt sich hier nicht die Seite der Werkstätten. Es hat eindeutig die Kunden im Sinne, wenn es das Auto so wartungsfrei als möglich konstruiert, auch wenn damit kurzfristig Wartungsumsatz wegfällt. Langfristig gewinnt das Unternehmen damit aber weitere Kunden.

Schlussfolgerung

Die Erlöspotenziale von Tesla werden erst jetzt so richtig sichtbar und schlagen. Die Schritte dafür hat Tesla gesetzt und damit unterscheidet sich das Unternehmen von traditionellen Autobauern, die in einem mehr als hundert Jahren alten Geschäftsmodell stecken: sie verkaufen ein Auto und die Wartung dazu. Tesla verkauft heute noch Autos, aber keine Wartung, dafür aber viele neue digitale Services, die es so bislang nicht gab. Damit wird klar, dass Tesla weniger ein Autounternehmen, als ein digitales Unternehmen ist. Und hier sind, wie von Apple, Google, Amazon und Co bekannt, die Erlösmöglichkeiten unlimitiert.

Es ist sogar vorstellbar, dass ähnlich schon im Smartphone-Markt, das Auto nur mehr wenig oder gar nichts kosten wird, da die eigentlichen Erlöse in der Benutzung des Autos liegen. Aber hier wird es haarig, denn das kann zum unerwünschten Effekt einer höheren Fahrleistung aller Autos führen.

Wie auch immer, traditionelle Hersteller müssen heute mehr liefern, als nur ein „Elektroauto“. Auf die Frage von Mitarbeitern eines deutschen Herstellers, was ihr Elektroauto können müsste, damit ich von meinem Model 3 auf ihres umsteige, gab ich mal diese längere Antwort, in der ich acht Punkte aufzählte, wobei Elektroauto selbst nur einer der Punkte war. Im Aktienkurs widerspiegeln sich insofern diese weiteren sieben Punkte und die umfassen vor allem digitale Werte.

Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.

Was ist Intelligenz im künstlichen und menschlichen Sinn? Können Maschinen Bewusstsein entwickeln und wie würden wir das erkennen? Sind Maschinen fähig, Empathie zu zeigen und zu fühlen?

Innovations-Guru Dr. Mario Herger gibt darauf Antworten. Er verdeutlicht die vielfältigen Chancen und positiven Auswirkungen von KI auf alle Aspekte des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens.

Spannende Gespräche mit KI-Vordenkern und KI-Praktikern aus dem Silicon Valley vermitteln dem Leser wertvolle neue Erkenntnisse und Mindsets. Ein unentbehrlicher KI-Ratgeber für Gegenwart und Zukunft!

€24,99 | 304 Seiten | 27.2.2020
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3 Kommentare

  1. Super Blog! Falls ein günstigerer Tesla (Gerüchte: „Modell 1“ oder „Modell 2“) erscheinen sollte, dann wird Tesla nicht nur uneinholbar im Mittel- bis Oberklassesegment. Der Markt in Asien ist für kompakte EV zahlenmäßg einfach riesig und auch in Europa ist das Marktsegment entscheidend. Durch die im Artikel genannten Vorteile zusammen mit Autonomie könnte Tesla mit einem 25.000 Euro Modell durch den gebotenen Mehrwert sogar die günstigere Kleinwagen-Konkurrenz deutlich abhängen (VW e-up, Mii, Skoda, u.a.). Die einzige Wild-Card wäre dann übergangsweise die Konkurrenz durch einen viel günstigeren e-Dacia/e-Renault. Übergangsweise, solange Full Self Driving noch nicht gesetzlich gefordert oder voll ausgereift auf Level 4 ist. e-Dacia/e-Renault wäre dann der einzige dominierende EV-Hersteller vor Tesla im Segment Kleinwagen. e-Dacia/e-Renault könnte so eines der letzten klassischen „non connected“ EV-PKW-Produkte sein. Das wäre das Optimum für den Verbraucher: Günstiger Einstieg mit E-Dacia oder alternativ in der Kompaktklasse ausgereifte Connectivity/Software mit (zeitnahem) FSD mit Tesla.
    Aber der 25.000 Euro Tesla ist natürlich leichter gefordert als gefertigt. Hier ist die Frage dann: ist Tesla mehr wie Google oder mehr wie Apple?

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