Wenn man meint, dass man alles über Apple weiß, weil man das Unternehmen seit Jahren beobachtet, kommt plötzlich ein Buch daher, das einen alles in Frage stellen lässt, was man weiß. Patrick McGee, Silicon Valley Korrespondent der Financial Times, hat mit Apple in China unbekannte Wissensbrocken aus dem Hut gezaubert, die einen ganz anderen Blick auf Apple und seinen Einfluss auf China werfen lassen, aber auch auf den Einfluss, den China auf dieses Unternehmen hat.
Vor allem mit einem Missverständnis räumt das Buch auf. Apple lagerte nicht einfach die Produktion aus, wie es andere Unternehmen mit Outsourcing seit Jahrzehnten getan haben, nein, Apple machte etwas anderes. So befinden sich alle Maschinen, die bei den Zulieferfirmen wie Foxconn stehen, im Eigentum von Apple, und nicht, wie üblich, Eigentum der Zulieferer. Apple arbeitet dann nicht nur mit den Zulieferern zusammen, sondern schult deren Mitarbeiter gnz intensiv. Über die Jahre hat Apple Millionen von chinesischen Ingenieuren ausgebildet, um sie auf die von Apple geforderten Qualitätsstandards zu bringen, was diese Ingenieure wiederum zu den begehrtesten Kandidaten auf den chinesischen Märkten für die Konkurrenz macht. Mit dem stillschweigenden Einverständnis von Apple arbeiten die Zulieferer auch mit Apples Konkurrenten zusammen, um nicht allein von Apple abhängig zu sein. Eine einzige Designänderung kann über den Erfolg oder Misserfolg eines Zulieferers entscheiden, und das versucht Apple wegen möglicher schlechter Presse zu vermeiden. Apple hat somit erst die Konkurrenz durch Huawei und andere ermöglicht.
Es ist erstaunlich zu hören, dass Apple allein im Jahr 2015 55 Milliarden Dollar in China investiert hat und die Zahlen seitdem nur noch gestiegen sind. Da verblasst jede andere Initiative – wie etwa der CHIPS and Science Act in den USA, der über vier Jahre 53 Milliarden Dollar für die Entwicklung und Produktion von Chips in den USA investieren und diese Produktion wieder zurückbringen soll.
Dass Apple Millionen chinesischer Ingenieure ausbildet, bedeutet auch, dass andere Branchen davon profitieren, z. B. die Automobilindustrie, die chinesische Autos so wettbewerbsfähig macht, dass andere traditionelle Autohersteller unter enormen Druck geraten. Die Qualitätsstandards, die Apple damit diesen Ingenieuren in der Elektronikbranche eingetrichtert hat, schwappt über auf andere Bereiche. Das erklärt, warum chinesische Automobilhersteller nach Jahren der Schwierigkeiten bei Qualität nun beginnen, deutsche und andere Hersteller in allen Bereichen zu übertrumpfen.
Doch nicht nur in der Automobilindustrie wirkt sich das aus. Auch die Rüstungsindustrie, die Raumfahrt oder Robotik profitieren vom Apple-Standard.

Die Schattenseite lässt sich aber auch deutlich erkennen. Das Buch beschreibt ausführlich, wie sich mit der Machtübernahme durch Xi Jinping der Gegenwind verschärft hat und das autoritäre System Chinas nicht nur heimische Unternehmen auf Linie bringt. Auch Apple ist den Launen Chinas und seines autoritären Regimes in hohem Maße ausgesetzt. Apple brauchte sehr lange, um zu verstehen, was da genau geschieht und wie China funktioniert. Eine unbekannte Seite ist der Kampf mit der chinesischen Mafia, den sogenannten „Gelben Kühen“, auf die Apple lange keine Antwort hatte.
Patrick McGee hat für dieses Buch 200 Personen interviewt und gibt einen Einblick, den wir nur selten in dieses geheimnisvolle Unternehmen bekommen. Wenn Sie sich für Technologie und Geopolitik interessieren, ist dies ein Muss. Ich halte es für das Sachbuch des Jahres 2025.
Der Autor war übrigens diesen Montag bei Jon Stewart zu einem sehenswerte Segment eingeladen:
Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.