Nach Teslas NACS zum Laden nun auch die FSD als Standard?

Die überraschendste Entwicklung im letzten Jahr war, wie rasch die Front der Autobauer zerbröckelte, als die ersten großen OEMs für Nordamerika entschieden, auf den North American Charging Standard NACS zu setzen, der seit 2012 bislang ausschließlich von Tesla eingesetzt worden war. Tesla-Besitzer können an zigtausenden Superchargern und noch mehr Destination-Chargern den Plug&Charge-Betrieb erwarten, wo kein Herumgefummel mit Kreditkarte oder Ladekarten zu Frustration führt, wie es Besitzer anderer Elektroautos teilweise erleben.

Jedenfalls haben innerhalb des Jahre 2023 alle OEMs angekündigt, auf den NACS umstellen zu wollen und damit die Weichen gelegt, um Teslas flächendeckendes und vor allem funktionierendes Superchargernetzwerk zu verwenden. Denn das Fehlen eines solchen hatte sich als Hemmnis für den Elektroautoabsatz bei den Herstellern herausgestellt. Für Tesla war das eine Bestätigung der langjährigen Strategie, in eigene Ladeinfrastruktur zu investieren und zementierte die Vormachtstellung des amerikanischen Elektroautopioniers.

Full Self Driving FSD als nächster neuer Standard?

Nun gab es eine interessante Reaktion auf Teslas Full Self Driving, kurz FSD, Software, die in Nordamerika auf Teslas verfügbar ist. Ich habe dazu bereits einige Erfahrungsberichte geschrieben, weil sie auf meinem Tesla seit eineinhalb Jahren verfügbar ist und speziell die letzte Version der FSD, die V12.3.6 bzw. die V12.4. einen deutlichen Sprung in den Fähigkeiten der autonomen Fahrtechnologie darstellte. Siehe dazu auch mein Video von einer 27-minütigen Fahrt durch San Francisco ohne Eingriff, die mein eigenes Vertrauen in die Technologie deutlich erhöhte und eine Zulassung in greifbare Reichweite schob.

Nun aber testete der CEO vom chinesischen Elektroautohersteller XPeng, He Xiaopeng, die letzte Version der Tesla FSD und er war beeindruckt von der Laufruhe und dem Handling des Fahrzeugs durch die Software.

FSD REVIEW: Während seiner Testfahrt mit FSD V12.3.6 auf dem Weg zum Google-Hauptquartier kann der XPeng-CEO nicht umhin zu loben, wie präzise und geschmeidig das System ist. Er geht sogar so weit zu sagen, dass FSD besser fährt als jemand, der neu in Kalifornien ist, wie er selbst die meiste Zeit. FSD übertrifft ihn in Sachen Laufruhe und Handling. Während des gesamten Videos macht jemand, der in China schon bald mit Tesla konkurrieren wird, keinen Hehl aus seiner Begeisterung.

Dieses Feedback kam mit dem XPeng-CEO von jemanden, dessen Unternehmen an einem ähnlichen Full Self Driving-System arbeitet und es zuzulassen plant. Weitere Meldungen der letzten Woche, wie einerseits diejenige, dass Tesla nun die FSD auch in China testen darf, oder andererseits diejenige, dass Tesla in Europa die FSD Gesetzgebern und Behörden vorführt, um den Prozess für eine Zulassung in Gang zu setzen, zeigen, dass hier eine gewisse Dynamik entsteht, die autonomes Fahren zugänglicher machen könnte. Andere Meldungen, wie die dass Volkswagen mit dem amerikanischen Elektroautostartup Rivian eine Partnerschaft eingegangen ist und in den nächsten Jahren bis zu 5 Milliarden Dollar investieren will, um die Softwarefähigkeiten bei den eigenen Autos zu verbessern, ließen aufhorchen.

Was nun also, wenn ein erster OEM die Tesla FSD lizenziert und in ihre eigenen Fahrzeuge integriert? Das könnte einen ähnlichen Dammbruch darstellen, wie die Annahme des NACS im letzten Jahr.

Der Ansatz von Tesla, sich für die FSD nur auf Kameras zu verlassen, wurde und wird nach wie vor von den anderen Herstellern und Entwicklern kritisiert, da sie ihrer Meinung nach – unter anderem – nicht ausfallsredundant wäre und nicht die notwendige Sicherheit bieten würde. Doch für die OEMs wäre dieser Ansatz ein kostengünstigerer, da keine von den immer noch teuren Lidars und anderen Sensoren in die Fahrzeuge verbaut werden müssten. Die meisten Premiumfahrzeuge haben heute schon mehr als ein halbes Dutzend Kameras eingebaut, hinzu kämen dann noch die Tesla eigenen GPUs, auf denen die FSD-Software dann performant genug laufen würde. Die Kosten wären damit besser kontrollierbar.

Der neue Sicherheitsstandard FSD?

Wenn nun die FSD als Sicherheitsstandard wie Airbags, ABS, Rückfahrkameras oder Auffahrvermeidung deklariert werden würde, dann wäre die Integration einer solchen Technologie verpflichtend. Und da gäbe es aktuell nur wenige Anbieter, die solche eine Lösung bereitstellen könnten. Neben Mobileye wäre das auch Tesla.

Und sobald Hersteller solche Technologien lizenzieren, anstelle sie selbst um teures Geld zu entwickeln, nur um dann mit sehr eingeschränkten ADAS oder maximal Level 3 unter sehr starken Limitationen (wie kürzlich BMW) aufwarten zu können oder diese gar nicht funktionieren (wie bei Mercedes unlängst gesehen), und es absehbar wird, dass sie als Sicherheitsstandard vorgeschrieben wird, dann gibt es kein Zurückhalten mehr.

Wenn allerdings die Experten auf Fachtagungen wie jene vom VDI (Bericht von Alexander Bloch) zu Fahrerassistenz- und autonomen Systemen meinen, dass diese Technologie noch lange weg sei, und damit auch deren Einbau in Massenserienfahrzeuge, und damit sich selbst und die Industrie in einer vermeintlichen Sicherheit wiegen, dann ist das ein Bärendienst der der an der heimischen Automobilindustrie getan wird. Das Aufwachen wird böse sein.

Dabei liegen deutsche Hersteller heute schon sehr weit hinter dem Stand der Technologie zurück. Nichts macht das klarer als das Projekt KIRA, das gerade als Deutschlands erster(!) Level-4-Testbetrieb gestartet wurde, und das nicht mit deutschen Kerntechnologien. Sowohl die Fahrzeugplattform (ein NIO) wie auch die Selbstfahrtechnologie (Mobileye) stammen aus China und Israel/USA. Und dieser Testbetrieb wurde mindestens 6(!) Jahre nach der Aufnahme von Level-4-Testbetrieben in den USA gestartet.

Tesla, das nach jahrelanger Kritik und Lächerlichmachen durch Industrieexperten sich nicht beirren ließen, und die Kunst der großen Wette einging, lacht sich dabei ins Fäustchen.

KREATIVE INTELLIGENZ

Über ChatGPT hat man viel gelesen in der letzten Zeit: die künstliche Intelligenz, die ganze Bücher schreiben kann und der bereits jetzt unterstellt wird, Legionen von Autoren, Textern und Übersetzern arbeitslos zu machen. Und ChatGPT ist nicht allein, die KI-Familie wächst beständig. So malt DALL-E Bilder, Face Generator simuliert Gesichter und MusicLM komponiert Musik. Was erleben wir da? Das Ende der Zivilisation oder den Beginn von etwas völlig Neuem? Zukunftsforscher Dr. Mario Herger ordnet die neuesten Entwicklungen aus dem Silicon Valley ein und zeigt auf, welche teils bahnbrechenden Veränderungen unmittelbar vor der Tür stehen.

Erhältlich im Buchhandel, beim Verlag und bei Amazon.

Dieser Beitrags ist auch auf Englisch erschienen.

1 Kommentar

Hinterlasse eine Antwort