Vor ein paar Tagen stellte Tesla-CEO Elon Musk in einem Livestream die neue FSD Beta Version 12 vor, indem er von Teslas Global Engineering Zentrale in Palo Alto zu einem Ziel fuhr und die Fahrt filmte. Ich selbst habe aktuell die Version 11.4.4 auf meinem Model 3, die ich erst kürzlich einer belgischen Delegation von Vertretern von Verkehrsbehörden und ÖPNV in San Francisco in jeweils halbstündigen Fahrten durch die Stadt demonstrierte.
Einige Dinge kann ich aus dem Video nicht beurteilen, denn dazu müsste ich im Auto sitzen. Das sind vor allem so Dinge wie „smooth“, also „weich“ das Fahrzeug fährt, oder ob es gelegentlich zögert, also beispielsweise während der Fahrt ohne ersichtlichen Grund leicht bremst oder beim Abbiegen bremst oder das Lenkrad korrigiert.
Speed Bumps, also Fahrbahnschwellen scheint das im Video gezeigte Fahrzeug zu erkennen, obwohl nicht klar wird, ob es diese automatisch erkennt oder ob die schon im System eingetragen sind. Ich selbst erinnere mich an eine Situation vor einem Jahr, als mein Model 3 eine solche Schwelle in Los Altos mit der gültigen Geschwindigkeit (25 Meilen pro Stunde, also knapp 40km/h) nahm und die Insassen durchschüttelte.
Im Video erklärt Musk dazu, dass das System diese Schwellen selbst erkennt, und zwar anhand von den Videodaten, die von Tesla-Fahrzeugen gezogen worden sind. Dazu muss man wissen, dass Tesla-Besitzer Tesla erlauben können, Daten von den Fahrzeugen zu ziehen und diese in ihrem Maschinenlern-Computer zu verwenden, um die FSD zu entwickeln.
Und das scheint die Herangehensweise zu sein: Teslas FSD 12 lernt offensichtlich von diesen Videodaten und auch, wie sich echte Fahrer verhalten. Sie bremsen vor Fahrbahnschwellen ab, vergrößern den Abstand zu Fahrradfahrern und rollen bei Stoppschildern durch, anstatt zu einem vollen Stop zu kommen. Dabei werden nicht alle Daten von allen Fahrern genommen. Daten schlechter Fahrer werden von Tesla aus dem Trainingsdatensatz ausgenommen, selbst mittelgute Fahrdaten, werden entfernt, vor allem Daten guter Fahrer werden ausgewählt und das System damit gefüttert.
KREATIVE INTELLIGENZ
Über ChatGPT hat man viel gelesen in der letzten Zeit: die künstliche Intelligenz, die ganze Bücher schreiben kann und der bereits jetzt unterstellt wird, Legionen von Autoren, Textern und Übersetzern arbeitslos zu machen. Und ChatGPT ist nicht allein, die KI-Familie wächst beständig. So malt DALL-E Bilder, Face Generator simuliert Gesichter und MusicLM komponiert Musik. Was erleben wir da? Das Ende der Zivilisation oder den Beginn von etwas völlig Neuem? Zukunftsforscher Dr. Mario Herger ordnet die neuesten Entwicklungen aus dem Silicon Valley ein und zeigt auf, welche teils bahnbrechenden Veränderungen unmittelbar vor der Tür stehen.
In Kreisverkehren selbst habe ich die FSD Beta noch nicht gesehen, weil es die in den USA recht selten gibt. Die belgische Delegation hatte danach gefragt, weil die Belgien, Frankreich oder auch Großbritannien doch recht häufig sind. Die FSD 12 scheint Kreisverkehre in Austin gut zu meistern.
Musk erwähnt, dass die FSD 12, die er zeigt, auf der Hardware-Version 3.0 läuft, also dieselbe, die auch in meinem Fahrzeug vom Juni 2019 verbaut worden ist, mit den ersten KI-GPUs, die von Tesla selbst designt worden waren. Die FSD benötigt auch keine Internetverbindung während der Fahrt, weil sie alle weiteren Daten zusätzlich zu den Navigationsdaten im Fahrzeug selbst erzeugen kann. Die acht Kameras bringen dabei eine Bildrate von 36 Bildern pro Sekunde, also eineinhalb mal soviel, wie sie bei Filmen üblich sind.
Offensichtlich gibt es bereits weltweit Testfahrer für die FSD 12, und zwar in Neuseeland, Thailand, Norwegen, Japan und USA. Das zeigt auch die Herangehensweise von Tesla, die sich ziemlich stark von Waymo oder Cruise unterscheidet. Während die letzteren „Töpfe zum Kochen bringen“, also in geofenced Teilen einer Region ihre Fahrzeuge fahren lassen und perfektionieren, „kocht Tesla den Ozean“ (wie die Amerikaner sagen „boiling the ocean“). Tesla versucht in anderen Worten Teslas überall dort autonom fahren zu lassen, wo Teslas bereits heute fahren. Also nicht in einer geofenced Area, und das nur mit Kameras und ohne Lidars, Radar oder Ultraschall. Und dieser Ansatz ist sicherlich nicht leichter und dauert länger, aber über die Zeit, in der ich die FSD Beta auf meinem Auto hatte, konnte ich die Fortschritte deutlich sehen. Also ehemaliger Softwareingenieur finde ich diese Leistung beeindrucken.
Mit der FSD 12 scheint allerdings auch ein Paradigmenwechsel bei Tesla stattgefunden zu haben. Statt dem System die Verkehrsregeln mitzuteilen und Fahrverhalten einzuprogrammieren, basierend auf Fahrdaten, so ging Tesla dazu über, nur die Fahrdaten von guten Fahrern zu analysieren und mit diesen Trainingsdaten Teslas Deep Learning-System zu trainieren.
Diese Herangehensweise ähnelt der Entwicklung der unterschiedlichen Versionen von Googles Go-Computer, der mit AlphaGo begann, und dann in AlphaGo Zero und AlphaZero. Wurde AlphaGo noch mit 30 Millionen von Menschen gespielten Go-Partien trainiert, wurden AlphaGo Zero nur mehr die Spielregeln mitgeteilt und dieses spielte in 40 Tagen dann fast 5 Millionen Spiele gegen sich selbst. AlphaGo Zero gewann dann mit 100:0 gegen AlphaGo. AlphaZero wiederum wurde auf neuer Hardware und verbesserten Algorithmen in nur 24 Stunden und mit den Spielregeln das Spiel beigebracht, und dieses gewann dann gegen AlphaGo Zero mit 60:40.
Um 19:50 hat die FSD 12 allerdings einen Glitch, es interpretiert das Ampelsignal für das Linksabbiegen als dasjenige für die Geradeausfahrt. Hier muss dann Musk eingreifen und das Fahrzeug davor bewahren, bei Rot die Kreuzung zu überqueren.
Neu für mich war, dass das Fahrzeug am Ende der Fahrt nicht einfach nur mitten auf der Straßen stehen bleibt und die FSD sich ausschaltet, sondern das Fahrzeug auf einen freien Parkplatz am Straßenrand zufährt und dort anhält (um 24:15 im Video).
Eine Frage, die während der Fahrt hochkam (so gegen 33:15 im Video) ist zu schlechter Sicht bei Regen, Schnee oder Hindernissen an Kreuzungen. Laut Aussage verringert das Fahrzeug dann die Geschwindigkeit und bei Kreuzungen tastet es sich vor. Ich selbst habe ähnliches bereits bei der FSD 11.4.4. bemerkt, wenn es an Kreuzungen nicht gut genug nach links sehen kann. Dann fährt es langsam vor. Bei stärkerem Regen allerdings übergibt es die Kontrolle an den Fahrer und meldet schlechte Sichtverhältnisse. Deshalb sind übrigens die Fahrdaten aus anderen Ländern so wichtig, weil in Kalifornien das Wetter sehr häufig sonnig und damit gut ist, während in anderen Ländern dieses sich öfters ändert.
Sehr schön ist auch zu sehen, wie das Fahrzeug bewusst auch mal Sperrlinien überfährt, um Abstand zu einem Fahrradfahrer zu halten und trotzdem weiterzukommen. Eine solche Szene ist ab 34:45 zu sehen. Etwa eine Minute später um 35:45 gibt es dann eine schöne Behandlung eines ungeschützten Linksabbiegers mit Querverkehr aus beiden Richtungen und Gegenverkehr. Und ab 43:40 fährt das Fahrzeug dann auf den Tesla-Parkplatz ein, von dem es im Auto keine Straßenkarte mehr gibt. Mit anderen Worten: das Fahrzeug generiert sich automatisch während der Fahrt eine Straßenkarte.
Die Fahrt selbst findet in Palo Alto und Stanford statt, also eher kleinen Vororten mit wenig Verkehr, gut markierten Straßen, ohne viel Fußgänger- oder sonstigem Verkehr. Leider ist aus dem Video nicht wirklich die Gegenüberstellung von dem was der Bildschirm anziegt versus was durch die Windschutzscheibe zu sehen ist, zu erkennen, weil Elon Musk sein Handy offensichtlich am Fahrersitz in der Hand hält und dabei immer wieder zwischen Porträt und Landschaftsmodus wechselt.
Wie auch immer, die Fahrt selbst ist recht ereignislos und fast schon langweilig, wie man es von einem autonomen Auto erwarten würde. Im Video werden scheinbar die Situationen souverän behandelt und bieten einige Neuerungen zur aktuellen Version 11.4.4., die ich auf meinem Tesla habe. Wie sehr sich die FSD Verson 12 Beta in der Praxis bewährt und wie rasch Mängel beseitigt werden können, wird sich erst zeigen, sobald ich und andere sie auch haben. Eines allerdings kann man schon jetzt sagen: die FSD 12 übertrifft alles, was traditionelle Hersteller aktuell anbieten oder gar vor 2030 als Funktionalität von sich erwarten.
Hier geht’s zur Aufzeichnung des Livestreams:
Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.

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