IAA 2023: Die deutsche Unerwartung

Die Internationale Automobil Ausstellung IAA in München steht diese Woche bevor und was können wir erwarten? Ich traue mich mal, etwas vorherzusagen, denn irgendwie ist das absehbar.

China

Zuerst mal werden chinesische Hersteller, wie Nio, Voyah oder BYD, ihre aktuellen Elektroautos für den europäischen Automarkt vorstellen, denn sie wollen dieses und nächstes Jahr groß auf dem deutschen Markt loslegen, und das mit Kampfpreisen. Doch von den hiesigen Journalisten und Besuchern werden sie wohl vor allem milde belächelt werden. Digital ist ja wohl alles schön, werden sie sagen, aber Spaltmaße! Da sind wir besseres gewohnt.

Vielmehr warten viele auf die heimischen Hersteller, und was die wohl vorstellen werden.

Mini

Mini soll wohl wieder ein neues elektrisches Kernmodell zeigen, mit 218 PS und maximal kWh Batterien für maximal 400 Kilometer Reichweite. Dasselbe Modell kommt auch als Benziner. Der Mini Countryman kommt sogar auch als Diesel. Im Jahr 2023. Und das führt uns zur Mutter, BMW.

BMW

BMW stellt neben seinen Wuchtbrummen auch eine neue Modellreihe vor, die als „Neue Klasse“ (echt, das ist der Name) geteasert wird. Dabei handelt es sich um eine Wiederbelebung einer von 1962 bis 1972 Modellreihe. Mit dem Slogan BMW Vision Neue Klasse: Die Zukunft jetzt erleben machen die Münchner Stimmung.

Irgendwie wühlt man in der Vergangenheit nach Ideen für die Zukunft, und raus kommen wieder nur alte Hüte. Und BMW CEO Oliver Zipse hilft dem Eindruck gar nicht, indem er schon lange widerlegte Plattitüden zur Elektromobilität von sich gibt. So sagt er in einem Interview mit dem Handelsblatt:

Ich halte die politische Vorgabe zum Verbrenner-Aus für fahrlässig

Oliver Zipse – Interview mit dem Handelsblatt

Denn für den massenhaften Bau von Elektroautos fehlten die Rohstoffe wie Lithium, Kobalt und seltene Erden, meint Zipse, und Europa werde so von Importen abhängig und politisch erpressbar. Diese Aussage konterte Der Spiegel nüchtern mit

Derzeit ist die EU indes stark von Rohölimporten für Autos mit Verbrennungsmotor abhängig – das Öl stammt vielfach ebenfalls aus autokratisch regierten Ländern wie Kasachstan, bis 2022 sogar zum großen Teil aus Russland.

Dabei bleibt es nicht, Zipse legt noch nach:

Und wo laden die Menschen all die E-Autos? Es wird 2035 in Europa keine flächendeckende Infrastruktur für Elektroautos geben. Glauben Sie, dass in zwölf Jahren in Regionen wie Süditalien in jedem Dorf Ladesäulen stehen?

Es gibt in Europa aktuell 85.000 Ladestationen und Elektroautobenutzer posteten sogleich Bilder von Ladestationen oder 220V Stromanschlüssen in den Bergen über ganz Europa. Soviel zu BMW, das ein bisschen schwanger werden will, aber nicht ganz. Und es klingt, als hätten sie als einzige die Probleme mit dem Laden herausgefunden und deshalb aufgegeben, anstatt die Probleme Stück für Stück zu lösen. Wie es beispielsweise echte Ingenieure zu tun pflegen.

Volkswagen

Auch Volkswagen, deren ID-Serie sich als Ladenhüter erweist, deren CARIAD-Betriebssystem nicht funktionieren will, deren Marktanteile in China dramatisch eingebrochen sind, und wo die Belegschaft sich vor allem um die Currywurst in den Werkskantinen zu sorgen scheint, hat wenig zu bieten.

Halt! Doch! Volkswagen bringt einen neuen Volkswagen Passat Kombi heraus. Doch sicherlich elektrisch? Aber geh, wer kommt denn auf solch eine blöde Idee. Als Benziner natürlich und als – man halte sich fest und schlucke rasch seinen Kaffee runter, bevor man den horizontal ausspuckt – Diesel(!) Nicht nur als Diesel, sondern als TDI. War da nicht mal was bei Volkswagen mit Diesel?

Mercedes

Mercedes will ein paar weitere Elektroautomodelle vorstellen, vor allem auch wieder das Konzeptfahrzeug Vision EQXX zeigen. Dabei ist auch die Vorstellung eines Elektroprototypen, des CLA, geplant, dessen Verbrauch dem mystischen Einliterauto entsprechen soll. Nämlich mit 12 kWh pro 100 Kilometer und 750 km Reichweite, eine Verbesserung von etwa 30 Prozent zu den 17 bis 18 kWh pro 100 km, die ein EQA 350 Kompakt-SUV-Modell heute braucht. Laut IAA-Website zeigt Mercedes gleich mehrere weitere Konzeptfahrzeuge.

Ich hoffe, es sind auch mal reale Fahrzeuge darunter, die man kaufen kann und vor allem will. Denn Visionsfahrzeuge schön und gut, aber baut man endlich mal was Neues für die Zukunft? Vielleicht auch mal Software die die Zukunft zeigt, und nicht nur einen lahmen Intelligent Park Pilot?

Tesla

Bei diesem Auftritt muss sich Tesla gar nicht bemühen. Mit dem Model Y als dem meist verkauften Auto in Europa und einem Lauf im Jahr 2023, bei dem man in den Produktionszahlen zum ersten Mal Mercedes überholen wird, genügt eine Modellüberarbeitung mit dem Model 3 „Highland“.

Mit deutlich mehr Reichweite bis zu 554 Kilometer, ruhigerem Fahrverlauf, besserer Aerodynamik und Geräuschkulisse, sowie Bildschirm auch für die Passagier auf dem Rücksitz, und vielen weiteren kleinen Änderungen, holt das Model 3 mehr aus sich heraus bei gleichem Preis. Und das zuerst in Europa.

Werde ich auf der IAA 2023 sein? Nein, denn die CES in Las Vegas ist die wichtigere Mobilitätsmesse und was die Zukunft der Automobilbranche betrifft – sofern man nicht an den Ständen der traditionellen Hersteller vorbeigeht. Denn wo Elektroautos schon selbstverständlich sind, stehen nun autonome Autos im Fokus. Doch davon wird auf der IAA 2023 nichts zu sehen sein.

KREATIVE INTELLIGENZ

Über ChatGPT hat man viel gelesen in der letzten Zeit: die künstliche Intelligenz, die ganze Bücher schreiben kann und der bereits jetzt unterstellt wird, Legionen von Autoren, Textern und Übersetzern arbeitslos zu machen. Und ChatGPT ist nicht allein, die KI-Familie wächst beständig. So malt DALL-E Bilder, Face Generator simuliert Gesichter und MusicLM komponiert Musik. Was erleben wir da? Das Ende der Zivilisation oder den Beginn von etwas völlig Neuem? Zukunftsforscher Dr. Mario Herger ordnet die neuesten Entwicklungen aus dem Silicon Valley ein und zeigt auf, welche teils bahnbrechenden Veränderungen unmittelbar vor der Tür stehen.

Erhältlich im Buchhandel, beim Verlag und bei Amazon.

Dieser Artikel ist auch auf Englisch erschienen.

7 Kommentare

    1. Vielleicht sollten wir mal Tesla-Fahrer fragen. 5 Millionen davon scheinen ja auf einen vollen Scam reingefallen zu sein, wenn das alles so stimmt. Und scheinbar ist die FSD Beta auch nur eine Illusion, wenn ich damit durch San Francisco mit meinem Tesla fahre.

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  1. „…Mit deutlich mehr Reichweite bis zu 554 Kilometer“…
    Hallo Mario, im deutschen Tesla-Bestellportal steht „bis zu 629 km“ WLTP..

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  2. Tja, der Herr Zipse, meint – wie Stellantis-Chef Tavares – mit Schlechtreden und Mythen der E-Mobilität – ihren iPhone/Nokia-Moment verhindern bzw. abmildern zu können (am Liebsten noch mit Hilfe der Politik).
    Ich habe die BMW-Aktie seit den schlechten Earnings am 3. August (-6,3 %) geshortet – und der Kursverlauf gibt mir Recht.

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