Zwei aktuelle Nachrichten zeigen, wie stark sich Innovationskulturen in Unternehmen unterscheiden können, und damit den Grundstein für eine Zukunft oder nicht legen können.
In der ersten Meldung hat GM verlautbart, die Cruise Origin zu verschrotten und stattdessen auf die nächste Generation von Chevrolet Bolt als Robotaxis weiterzuverwenden. Die Cruise Origin waren spezifisch designte, lenkradlose Fahrzeuge, in denen die Passagiere einander gegenübersitzen und autonom damit unterwegs sind.

Die Entscheidung kam nach 9 Monate nach einem Zwischenfall, bei dem eine Fußgängerin von einem Cruise-Robotaxi angefahren worden war und Cruise in weitere Folge die Zulassung für den Betrieb einer Robotaxiflotte verloren hat. GM wolle damit auch die Kosten reduzieren.
Kyle Vogt, der Gründer und ehemalige CEO von Cruise, sprach sein Unverständnis für diese Entscheidung in einem Tweet aus.
Ich bin enttäuscht, dass GM den Origin eingestellt hat. Das wäre für die Städte eine tolle Sache gewesen.
GM verschafft sich immer wieder einen Vorsprung von 5-10 Jahren, aber dann verpatzt es die Sache, stellt die Produktion ein und verliert den Vorsprung. Erinnert sich noch jemand an den EV1?
Es ist, als ob jemand sie immer wieder in eine Kristallkugel schauen lässt, und dann sagen sie einfach: „Nein, wir sind gut“.
Vogt bezieht sich mit dem EV1 auf ein Elektroauto, das Gm Anfang der 2000er produziert und verleast, dann aber wieder eingestampft hatte, trotz großen Protesten der Leasingnehmer. GM hatte damit einen Vorsprung bei Elektrofahrzeugen aus der Hand gegeben und bislang nicht wieder geschafft, irgendeinen signifikanten Anteil am Elektroautomarkt zu erobern. Ganz im Gegenteil: das Unternehmen kämpfte mit Produktionsschwierigkeiten und Qualitätsmänglen, u.a. beim Chevrolet Bolt.
In einer anderen Nachricht hat Google weitere bis zu $5 Milliarden für den Ausbau und die Entwicklung der Waymo Robotaxi-Flotte bekanntgegeben. Waymo Co-CEO Tekedra N Mawakana bedankte sich beim Mutterkonzern Alphabet:
Alphabet hat @Waymo bis zu 5 Milliarden Dollar zugesagt. Wir sind dankbar für das immense Vertrauensvotum in unser Team und die Anerkennung der erstaunlichen Fortschritte, die wir mit unserer Technologie, unseren Produkten und unserer Vermarktung gemacht haben.
Waymo entwickelt seit 2009 autonome Autos und hat seither Milliarden in die Entwicklung gesteckt. Damit ist das Unternehmen nach wie vor unangefochtener Spitzenreiter beim autonomen Fahren.
Diese Nachrichten zeigen auch die unterschiedlichen Innovationskulturen und das Umfeld, in dem die Vorstände der beiden Unternehmen agieren. Während Waymo Mobilität neu betrachtet, wird bei GM am alten Erfolgsmodell festgehalten. Waymo will einen neuen Mobilitätsservice schaffen, GM kann sich ein anderes Modell als das von privat besessenen Autos nicht vorstellen.
Auch bewegen sich die Vorstände in völlig unterschiedlichen Umfeldern. So sind bei Waymo bzw. der Muttergesellschaft Alphabet nach wie vor die beiden Gründer – also Unternehmer – aktiv im Vorstand tätig, während bei GM mittlerweile Manager im Vorstand sind. Erstere betrachten generell einen längeren Zeithorizont, was ihnen auch die Investoren zugestehen. Manager, wie die bei GM, sind hingegen für eine Periode von beispielsweise vier Jahren bestellt, in denen sie den Shareholder Value und Gewinn erhöhen müssen. Davon sind auch die Boni der Manager abhängig. Bei einer komplexen neuen Technologie, wie dem autonomen Fahren, ist nur schwer einschätzbar, wann sie funktionieren und profitabel sein wird. Heutige Manager betrachten somit vor allem die Auswirkungen auf die nächsten Quartale. Ihnen ist es egal, ob in 8 Jahren mein Nach-Nach-Nachfolger die Ernte einfahren wird, während die heutigen Manager wegen der Kosten und Herausforderungen abgestraft werden.
Kyle Vogt weist hier auf das richtige Problem hin: GM hatte es wieder in der Hand und ließ die Chance wieder einmal fallen.
Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.
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