Robotaxis sind für das Silicon Valley fast schon wieder ein alter Hut. Die Technologie funktioniert, mehr als eine Million fahrerlose, kommerzielle Fahrten pro Monat, die Waymo bereits durchführt, zeigen das deutlich, und jetzt geht es vor allem um die Skalierung der Flotten in neue Städte und Regionen, die dann auch zusätzliche Komplikationen, wie Schnee, Regen und andere Straßenverhältnisse, aufweisen.
Während bei Robotaxis in dieser Kategorie noch mit Kosten von 200.000 bis 250.000 Dollar pro Fahrzeug zu rechnen ist, wird bereits der nächste Meilenstein angepeilt. Nämlich den der privaten autonomen Vehikel, oder kurz PAV, oder weniger sperrig, das Robocar. Nicht jeder stolze Eigentümer eines PKW wird sich so einfach mit Robotaxis abspeisen lassen, sondern wird verlangen, dass auch private PKW mit autonomer Fahrtechnologie versehen werden. Das große Hindernis ist dabei der Preis. Niemand blättert bereitwillig sechsstellige Beträge für einen Privat-PKW hin, der dann über 90 Prozent der Zeit geparkt ist. Vielleicht darf diese zusätzliche Technologie ein paar hundert oder sogar einen geringen vierstelligen Euro-Betrag ausmachen, aber wer bietet so etwas an?
Tensor Robocar
Tensor, vormals bekannt als AutoX, hat den Fehdehandschuh in den Sand geworfen und das Rennen um PAV eröffnet. Die Frage ist, wie gut die Chancen stehen, dass Tensor in Partnerschaft mit Vinfast solche Robocars zu attraktiven Preisen anbieten kann. Die Sensorsuite ist mit 37 Kameras, 5 Lidars, 11 Radars, 22 Mikrofone und 10 Ultraschallsensoren ziemlich umfangreich und potenziell ziemlich teuer, und der Zeitplan mit dem Auslieferungsbeginn in der zweiten Hälfte 2026 ziemlich aggressiv.

Tesla FSD
Elon Musk verspricht seit Jahren mit der Full Self Driving (FSD), dass private, autonome Autos in „sechs Monaten“, „Ende des Jahres“, oder „nächstes Jahr“ da sein wird. Die rein auf Kamera basierte Software hat sich aber bislang noch nicht in einer Weise manifestiert, dass die Teslas wirklich sicher autonom fahren können. Erschwerend kommt hinzu, dass es immer wieder zu großen Verwerfungen im Tesla FSD und dem Supercluster Team hinter dem Tesla Dojo kommt. Die Sache nicht leichter macht die Tatsache, dass sich – wie von vielen vorhergesagt – das Hardware Kit bei älteren Fahrzeugen, und das sprechen wir von Autos nicht älter als 2 oder 3 Jahre, nicht den Anforderungen der aktuellen FSD gewachsen ist. Eine Nachrüstung ist dabei nicht vorgesehen, was viele Kunden, die die Tesla FSD bezahlt haben nicht gerade erfreut.
GM und Cruise
Nach der katastrophalen Fehlentscheidung von GM im Dezember 2024 die Selbstfahrtechnologietochter Cruise einzustellen, scheint GM diese Entscheidung zu bereuen. Nun wolle GM ehemalige Cruise-Mitarbeiter wieder anstellen, die die Technologie der Cruise-Robotaxis für Robocars nehmen und weiterentwickeln sollen, berichtet Bloomberg.
Doch wer der ehemaligen Cruise-Mitarbeiter mit Verstand wird GM noch trauen und sich wieder der sprunghaften Mutter anzuvertrauen und riskieren wollen, nicht wieder beim nächsten Druck aus Aktionärsversammlung gefeuert zu werden? Abgesehen davon, dass fast die gesamte Technologieinfrastruktur weg ist und Schlüsselfiguren bei der Entwicklung bereits neue Stellen bei einer viel motivierteren Konkurrenz gefunden haben. Auch war von mehreren ehemaligen Mitarbeitern zu hören, wie der Austausch der Führungsmannschaft bei Cruise durch Detroiter Urgesteine (mit entsprechender Attitüde) nach dem unverschuldeten Zwischenfall zu einem völligen Motivationseinbruch und zahlreichen Abgängen von Top-Talenten geführt hat.
Interessanterweise gab es in den vergangenen Monaten immer wieder Sichtungen von ehemaligen Cruise-Fahrzeugen in der San Francisco Bay Area.
CARIAD/Bosch
Nachdem Volkswagen gerade erst mit Moia den baldigen Launch eines fahrerlosen Robotaxidienstes angekündigt hat (meine skeptische Einschätzung dazu hier), folgt ein paar Wochen später die Ankündigung der VW-Tochter CARIAD mit Bosch, dass nun ein „Durchbruch beim automatisierten Fahren“ gelungen sei.
Doch bei genauerer Betrachtung ist dieser „Durchbruch“ nichts anderes als ein Level 2-Fahrerassistenzsystem, das ab Mitte 2026 in Fahrzeuge ausgeliefert werden soll und vorerst mal nur auf Autobahnen zugelassen sein wird. Langfristig streben die Partner ein Level 3-System an.
Mit anderen Worten: Volkswagen und Bosch werden in naher Zukunft definitiv kein Robocar anbieten können, schon gar nicht mit eigener, sprich deutscher Technologie.
Mercedes
Die Stuttgarter, die ihre Strategie auf Luxusautos ausgerichtet haben, waren tatsächlich die Pioniere beim autonomen Fahren. Schon in der Mitte der 1980er Jahre wurde mit dem Projekt Prometheus Selbstfahrtechnologie erforscht.
In den letzten Jahren hat Mercedes einige Energie in die Entwicklung von Selbstfahrtechnologie gesteckt, und mit dem Intelligent Drive Pilot ein in Deutschland, Kalifornien und Nevada auf Autobahnen zugelassenes Level 3-System, sowie mit dem Intelligent Park Pilot ein Level 4-System auf dem Markt. Bevor hier aber vor Begeisterung in die Hände geklatscht wird: diese beiden Systeme sind sehr eingeschränkt, und tatsächlich wenig praxisnah.
Von einem Robocar scheint Mercedes aber weit weg zu sein.
Zusammenfassung
Mit der Vorstellung des Tensor Robocars ist das Wettrennen um ein privates autonome Auto eröffnet. Jeder traditionelle Autobauer wird sich bemühen, darin seine Rettung zu finden. Das ihnen vertraute Geschäftsmodell ist nicht der Betrieb einer Robotaxiflotte – siehe dazu GM mit Cruise, Volkswagen mit Moia, aber auch Tesla mit Robotaxi), sondern der Verkauf von Autos an Privat- und Geschäftskunden. Wer es als erster schafft ein preisgünstiges Fahrzeug mit Selbstfahrtechnologie und eventuell sogar einem Dualen Modus, wo ein Besitzer zwischen manuellen und autonomen Fahren wechseln kann, wird einen Vorteil und Chance zum Überleben haben. Tensor hat den Fehdehandschuh in die Arena geworfen und wurde damit zum Gejagten. Das Unternehmen steht vor der Herausforderung wie versprochen zu liefern.
Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.
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