Elektroautos: Boom oder Platzen der Blase? Die Antwort ist ein klares JEIN!

Glaubt man den Schlagzeilen der letzten Wochen, dann scheint der Elektroauto-Hype vorbei zu sein und die Anstrengungen der traditionellen Hersteller vergebliche Mühe gewesen zu sein. Betrachtet man die Zahlen, dann ist aber genau das Gegenteil der Fall. Elektroautoabsätze stiegen weltweit um mehr als 30 Prozent und übertreffen damit um ein Vielfaches die Zuwachsraten – sofern vorhanden – von Verbrennern. In einigen Märkten wie in China sank sogar die Zahl der Verbrennerverkäufe. Vorreiter wie Norwegen haben kaum mehr signifikanten Absätze von Diesel und Benzinern, dort dominieren Elektroautos den Markt und das Straßenbild. Mit anderen Worten: Verbrennerverkäufer würden sich für Zahlen wie sie bei Elektroautos gemeldet werden alle Finger abschlecken.

Wie aber kommt es zu der negativen Berichterstattung und dem Gerücht um ein Ende des Elektroautobooms?

Gründe für die Negativberichterstattung

Nun, erstens sind da einerseits die Steigerungszahlen, die zwar immer noch bei 30 Prozent liegen, aber doch um einiges geringer sind als in den vergangenen Jahren, wo die Hersteller mit jährlichen Steigerungsraten von bis zu 130 Prozent verwöhnt worden waren. Die Gründe im Einbruch auf hohem Niveau liegen einerseits in auslaufenden Förderungen, und andererseits dem fehlenden Angebot an preisgünstigeren Elektroautos, die eine neue Kundenschicht erschließen und somit die Verkaufszahlen gewaltig nach oben treiben könnten. An Kundeninteresse fehlt es nämlich auch nicht. So zeigte eine Umfrage in 12 Ländern, dass gleich 70 Prozent der Befragten sich sehr wahrscheinlich ein Elektroautos also nächsten fahrbaren Untersatz zulegen wollten.

Zweitens merken die traditionellen Hersteller, wie herausfordernd die Entwicklung und Produktion eines wettbewerbsfähigen Elektroautos ist – Stichwort: Produktionshölle – und wie gering ihre Gewinnspanne ist. Oder eigentlich eher: wie viel die Spätbekehrten Verluste machen mit Elektroautos. Denn durch ihr verspätetes Aufspringen auf den Elektroautoboom, an den sie lange nicht glauben wollten, verpassten sie den Einstieg bei der Sicherung von Ressourcen zu günstigen Preisen. Am Beispiel Lithium, das für die Batterien benötigt wird, wird das rasch sichtbar.

Entwicklung der Lithiumpreise in US Dollar pro Tonne

Kostete eine Tonne Lithium 2010 noch um die 5.180 Dollar, so stieg der Preis 2022 um das Dreizehnfache auf 68.100 Dollar an und lag 2023 mit 46.000 Dollar immer noch neunmal so hoch wie 2011. 2024 scheint sich die Lage zu entspannen mit aktuellen Preisen von über 10.000 Dollar pro Tonne, doch da gehen die ersten Hersteller bereits auf Natriumionenbatterien über.

Konnte Tesla als First Mover sich Lithium um knapp 5.000 Dollar sichern, so mussten die Follower Jahre später ein Vielfaches zahlen. Ein regelrechtes Gerangel um die Ressourcen setzte ein, die die Preise nach oben trieben. Dieser fast schon unfaire Kostenvorteil bei Rohstoffen erlaubt Tesla, Preiskämpfe anzuzetteln und anderen Herstellern die Luft abzuschnüren. Entweder riskierten Mitbewerber, ihre ohnehin schon geringen Gewinnmargen in Verluste umzuwandeln, oder, wenn sie nicht nachzogen, ihre Verkaufszahlen zu ruinieren.

Tatsache ist, dass die meisten Hersteller ihre Elektroautos massiv mit den Gewinnen aus den Verbrennerverkäufen quersubventionieren müssen. Fallen die Verbrennerverkäufe und steigen die der Elektroautos, dann ist nicht mehr viel Geld da, die Elektroautozuschüsse bezahlen zu können. Schon vor Jahren sprach der Fiat-Chef davon, dass jeder elektrische Fiat 500 mit bis zu 9.000 Euro quersubventioniert werden musste. Auch GM verlor mit jedem verkauften Chevrolet Bolt eine ähnliche Summe. Tesla hingegen erfreut sich über Gewinnmargen, die nur von Ferrari übertroffen werden.

Und es betrifft nicht nur die Rohstoffpreise, die den Wettbewerbsvorteil darstellen, sondern auch die längere Lernkurve, die Früheinsteiger wie Tesla bei Elektroautos hatten. Unerhört kurze Innovationszyklen, ständige Verbesserungen, tiefe vertikale Integration in der Fertigung, wie auch ein von Anfang an als vollständig digitale Maschine designtes Fahrzeug erlauben Tesla Kosten niedrig zu halten bei gleichzeitig hoher Innovationsgeschwindigkeit.

Auch gelang Tesla mit der Notwendigkeit, ein eigenes Superchargernetzwerk aufbauen zu müssen, ein schwer nachzuahmender Wettbewerbsvorteil. Der Vorteil ist so gross, dass in den USA sämtliche Autohersteller nun den von Tesla verwendeten NACS-Ladestandard übernehmen, in der Hoffnung, damit auch in Zukunft Teslas Ladestationsnetzwerk mitverwenden zu können. Eigene Netzwerke fand man lange nie notwendig, bis man darauf kam, dass sie ein äußerst wichtiges Entscheidungskriterium der Kunden waren. Nicht nur das: wie sich herausstellt kann Tesla die Installation von Superchargern zu einem Viertel oder Fünftel des der Mitbewerber anbieten. Für denselben Preis kann Tesla 4 oder 5 Supercharger hinstellen und damit sein Netzwerk viel rascher skalieren als andere.

Konsequenz aus dem Ganzen: die Wettbewerber haben kaum eine Chance gesehen und die Übernahme des Standards ist mehr oder weniger eine Kapitulation und ein Eingeständnis des eigenen Versagens. Als traditioneller Hersteller will man das aber so nicht zugeben und erfindet alle andere Gründe für das eigene Versagen:

  • Die Kunden wollen keine Elektroautos;
  • Sie sind nicht rentabel produzierbar;
  • Sie sind zu teuer bei Reparaturen;
  • Der Wiederverkaufswert schreckt Kunden ab;
  • Die Reichweite ist zu gering;
  • Es gibt keine billigeren Elektroautos;
  • Wer braucht schon den ganzen Digitalfirlefanz, wenn doch jeder einen satten Motorsound will?
  • Das Pferd war besser und hat eine große Zukunft.

Zahlen im Detail

Sehen wir uns nun mal die Verkaufszahlen und Ankündigungen der letzten Wochen genauer an. Diese Grafik der Verkaufszuwächse von Elektroautos hatte ich bereits vor einigen Wochen gepostet und diskutiert.

So beeindruckend diese Zahlen für deutsche Hersteller und Elektroautofans sind, so zeigen sie auch auf, dass in absoluten Zahlen Tesla den Abstand auf die deutschen Hersteller sogar vergrößert hat. Tesla lieferte 2022 408.196 Autos mehr aus als BMW, Mercedes-Benz und der VW Konzern zusammen, 2023 waren es um weitere 30.602 mehr. Tesla lieferte 438.798 Autos mehr aus als die deutschen Herstellern zusammengenommen.

Auslieferung20222023Delta
BMW215.755376.183160.428
Mercedes-Benz117.800222.600104.800
VW Group572.100771.000198.900
Deutsche Hersteller zusammen905.6551.369.783464.128
Tesla1.313.8511.808.581494.730
Differenz Tesla – Deutsche Hersteller408.196438.79830.602

Nichts da also von der in der Vergangenheit beliebten Aussage, dass „wenn die deutschen Hersteller mal loslegen, dann muss sich Tesla warm anziehen„.

Aber hier mal im Detail einige ausgewählte Hersteller.

Volkswagen

Weltweit hat Volkswagen 2023 394.000 Elektroautos verkauft, ein Anstieg um 21,1 Prozent. Doch diese Zahl enttäuscht, denn weltweit stieg der Verkauf um 30 Prozent. Die Marke Volkswagen hat somit schlechter als der Weltmarkt performt und Marktanteil verloren, die Volkswagengruppe insgesamt hingegen erreichte eine Steigerung von 34,8 Prozent.

In China hat 2023 mehr als 3,2 Millionen Autos verkauft, drei Millionen davon waren Verbrenner. Die Verkaufszahlen der rein batterieelektrischen Autos stiegen um 23 Prozent. Die Marktanteilzuwächse bei den Verbrennern von 19 auf 20 Prozent sind in China nicht der Stärke von Volkswagen, sondern vor allem dem generellen Rückgang bei den Verbrennerverkäufen zurückzuführen. VW steigert somit Marktanteile im schrumpfenden Markt der Verbrennungskraftfahrzeuge, jedenfalls keine langfristige Strategie.

Die Schwierigkeiten beim Verkauf der Elektroautos aus dem Hause VW sind hausgemacht. Die Probleme mit der Software reißen nicht, und diese haben sich herumgesprochen. War Digital vorher nicht mal ein Nachgedanke, so ist das heute zentrales Verkaufsargument, ganz zu schweigen von der Benutzungsfähigkeit eines modernen Elektroautos. Da kann man noch so sehr die Schuld auf das fehlende Interesse der Kunden schieben, der Markt aber trotzdem rascher wächst als die eigenen Verkäufe, dann bietet man eben ein Produkt an, das der Markt Scheiße findet. Der Fehler und die Schuld sind bei einem selber zu suchen.

Während VW mit Verbrenner (noch) Gewinn macht, ist das bei Elektroautos anders. Lag die Betriebsgewinnspanne insgesamt für 2023 bei 6,7 Prozent, so musste das Unternehmen seine Aussichten einer Gewinnspanne für Elektroautos die den Verbrennern gleich sein wird auf 2025 hinausschieben. Der massive Preiskampf nicht nur auf dem chinesischen Markt führt für viele Anbieter zu Verlusten.

Mercedes-Benz

Mercedes-Benz wiederum konnte seine Zuwächse bei reinen Elektroautos zwar um 89 Prozent steigern, trotzdem revidierte das Unternehmen seine Entscheidung vom Verbrenner-Aus. Das hat vermutlich weniger mit den Verkaufszahlen bei Elektroautos zu tun, als mit den Gewinnmargen.

Die Strategie von Mercedes-Benz hatte man vor einigen Jahren geändert, indem man sich nun auf höherwertige und Luxussegmente konzentrieren möchte. Nur dort erhoffte sich Mercedes-Benz entsprechende Gewinnmargen bei Elektroautos. Das Mercedes-Benz Elektroauto für die Massen wird es somit nicht geben.

Ob diese Strategie aufgehen wird, ist unklar. Denn einerseits steht mit autonomen Autos eine weitere disruptive Technologie vor der Tür, in die man investieren muss und wo ein Massenprodukt helfen kann, das notwendige Kleingeld zu liefern, andererseits scheint die jüngste Ankündigung, Verbrenner nun doch länger zu produzieren als man wollte auf interne Prognosen zu deuten, die die erhoffte Gewinnmarge bei einem höheren Anteil an Elektroautos im Portfolio doch ruinieren würde. Man war, wie gesagt, spät dran mit der Sicherung von Rohstoffen für Elektroautos, und das rächt sich nun an den Gewinnmargen.

BMW

Auch BMW hatte so wie Mercedes-Benz 2023 ein beeindruckendes Wachstum bei Elektroautos hingelegt. Um 74,4 steigerten die Münchner ihre Absätze im Vergleich zum Vorjahr und brachten 376.183 Elektrautos an den Mann und die Frau. Das überraschte scheinbar auch den Vorstand, der lange gegen Elektroautos und für Technologieoffenheit gewettert hatte.

Die Frage ist allerdings, ob BMW angesichts des trotz des langjährigen Widerstands des Vorstands, Elektroautos zu bauen 2023 damit nicht eigentlich underperformed hat? Wo lägen die Zahlen, wenn BMW, anstelle sich mit Wasserstoffautos und Investitionen in Verbrennertechnologie zu verzetteln, nicht gleich stärker auf das Elektroautoangebot konzentriert hätte und vielleicht sogar einen elektrischen 3er-BMW in der entsprechenden Preisklasse im Portfolio hätte? Wir werden es wohl nie herausfinden.

Ford

Ford verbuchte mit seinen Elektroautos 2023 einen Verlust von 4,5 Milliarden Dollar (4,15 Milliarden Euro). Mit jedem verkauften Elektroauto machte Ford sage und schreibe 36.000 Dollar Miese. Zwar stieg die Nachfrage nach dem F-150 Lighting Elektro-Pickup im 55 Prozent, doch das ist mit einem absoluten Anstieg von 15.000 auf 24.000 Stück eine kleine Zahl, wenn man berücksichtigt, dass Ford 750.000 Pickups im Jahr verkauft.

GM

General Motors wollte eigentlich bereits in diesem Jahr mehrere hunderttausend Elektroautos verkaufen und in wenigen Jahren Tesla überholen. Doch ersten ist es anders, zweitens als man denkt. Dieses Jahr schaffte GM nach einigen Anlaufschwierigkeiten 75.000 Elektroautoverkäufe, 93 Prozent mehr als im Vorjahr. Doch nicht Autos auf der neuen Elektroautoplattform Ultium, auf die GM die ganzen Hoffnungen setzt, erwiesen sich als Verkaufsschlager, sondern der altbewährte Chevrolet Bolt, dessen Produktion mit Jahresende auch eingestellt worden ist. Auch lagen die Verkaufszahlen im vierten Quartal 2023 knapp unter denen vom dritten Quartal, eine erstaunliche Tatsache, denn das vierte Quartal tendiert traditionell mit den Zahlen über dem dritten Quartal zu liegen.

Insgesamt schaffte Gm damit gerade mal 14.000 Elektroautos auf der Ultium-Plattform, die nun die Elektroautoverkäufe im Jahr 2024 alleine tragen müssen. Und einige Marken, wie der Chevrolet Blazer sollen wegen technischer Probleme vorläufig auch nicht verkauft werden dürfen. Es wird wohl ein Schicksalsjahr für GM werden, in dem sich zeigen wird, ob das Unternehmen bei der Wende den Funken einer Chance hat.

KREATIVE INTELLIGENZ

Über ChatGPT hat man viel gelesen in der letzten Zeit: die künstliche Intelligenz, die ganze Bücher schreiben kann und der bereits jetzt unterstellt wird, Legionen von Autoren, Textern und Übersetzern arbeitslos zu machen. Und ChatGPT ist nicht allein, die KI-Familie wächst beständig. So malt DALL-E Bilder, Face Generator simuliert Gesichter und MusicLM komponiert Musik. Was erleben wir da? Das Ende der Zivilisation oder den Beginn von etwas völlig Neuem? Zukunftsforscher Dr. Mario Herger ordnet die neuesten Entwicklungen aus dem Silicon Valley ein und zeigt auf, welche teils bahnbrechenden Veränderungen unmittelbar vor der Tür stehen.

Erhältlich im Buchhandel, beim Verlag und bei Amazon.

Conclusio

Es kann keine Rede von einem Ende des Elektroauto-Booms sein. Die Negativmeldungen werden von traditionellen Herstellern gestreut, die schmerzhaft bekennen müssen, dass Elektroautos hier bleiben und Verbrenner ersetzen werden, und erkennen, dass sie an vielen Stellen mit agilen Neuankömmlingen nicht mithalten können. Weder die Elektroautotechnologie und die digitale Komponente beherrschen traditionelle Hersteller in etlichen Bereichen nicht so gut wie Tesla oder chinesische Unternehmen, noch können sie die Kostenstruktur auf ein Niveau bringen, um am Markt preislich wettbewerbsfähige und rentable Elektroautos anbieten zu können.

Die Negativberichterstattung zu Elektroautos ist nicht mehr als der Katzenjammer traditioneller Hersteller, die nach jahrelangem Verschlafen des Trends und dann eiligem Zusammenschustern von einem „Wir-haben-auch-ein-Elektroauto“ sich zuerst wunderten, warum keiner ihre wenig überzeugenden Elektrokarren will, und nun allen anderen die Schuld für ihr eigenes Versagen in die Schuhe schieben wollen.

Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.

4 Kommentare

  1. Danke für die Recherche und Analyse. Habe den Artikel gerne in der elektroauto.community verlinkt. Tesla und chinesische Hersteller haben bei der Produktion von BEVs die Nase momentan klar vorne. Das zeigen auch z.B. Beteiligungen wie diese von Stellantis, welche sich mit Leapmotor einen chinesischen BEV Hersteller an Board holen um damit in entsprechenden Märkten konkurrenzfähig zu bleiben.

    Like

  2. Warum werden Meinungen auf dieser Seite eigentlich zensiert? Willkürlich werden Kommentare gelöscht, weil sie dem Big Boss zu unbequem sind.

    Kannst Du mal die Kriterien angeben, denen eine Meinung genügen muss, damit Du Ihre Verbreitung nicht blockierst?

    Like

    1. 1) Es ist meine Website, und ich kann hier aussuchen vor, wer hier posten und kommentieren darf. Die Leute sind nur Gäste.
      2) Kommentare, die ich lösche, sind solche, wo jemand nur zum Motzen gekommen ist, Leute angreift, oder nicht lernen will oder an einem höflichen zivilisierten Austausch nicht interessiert ist. Die Leute sind auf meiner Website Gäste, die sich entsprechend verhalten müssen.
      3) Andere Meinung, die höflich vorgebracht werden, die einen netten Diskurs für alle liefern etc,. bleiben immer gerne stehen.

      Und ja, das ist mein Recht. Wenn Du Gäste bei Dir zuhause hättest, die sich daneben benehmen, dann würdest Du sie auch rausschmeißen und nicht mehr einladen.

      Like

Hinterlasse eine Antwort