Keine Vision, kein iCar: Apple löst Autoteam auf. Was nun?

Zehn Jahre lang machte es Apple spannend, nur um uns heute zu enttäuschen. So lange nämlich war das schlechtest gehütete Geheimnis im Silicon Valley Apples Projekt Titan, bei dem an einem Elektroauto, Im Volksmund besser als iCar bekannt, entwickelt worden war. Immer wieder gab es Gerüchte um eine fehlende Vision und Strategie, um Entlassung und Neueinstellungen, ohne dass Apple je Genaueres verlautbaren wollte. Auch eine ganze Reihe von deutschen Automobilingenieuren soll eine zeit lang an dem Projekt mitgewirkt haben, und auch immer wieder Gerüchte um Verhandlungen mit so prominenten Automobilherstellern wie Mercedes-Benz, BMW oder Hyundai. Noch vor einem Monat wurde berichtet, dass Apple für das Projekt das Jahr 2028 im Auge hatte, um das iCar zu launchen.

Doch nun hat Bloomberg exklusiv berichtet, dass die Projektmitglieder bei Apple vom Management angewiesen worden sind, das Projekt einzustellen. Einige Mitarbeiter sollen in die KI-Teams umgeschichtet werden, andere entlassen werden.

Was könnten die Gründe sein, was folgt nun und was sind die Auswirkungen für Apple?

Gründe?

Zuerst mal wurde immer wieder kolportiert, dass Apple keine klare Vision oder Strategie für ein iCar hatte. Viele Mitarbeiter, die von Automobilherstellern abgeworben worden waren, verließen oft nach nur wenigen Monaten Apple.

Das könnte damit zu tun haben, dass einerseits an der Apple-Spitze mit Tim Cook eben kein Visionär steht, sondern ein sehr guter Manager, der in der Produktion und Lieferkette sehr talentiert ist. Doch eben kein Steve Jobs. Andererseits hatte man mit dem Designteam um Jony Ive zwar eine Automobil-affine und-interessierte Gruppe zusammengestellt, die aber nach Jony Ives Abgang von Apple zerfallen war. Es schien somit keine Leadership gegeben zu haben, die mit Tim Cook auf Augenhöhe gestanden war.

Andererseits schien man durch die recht zentrale orientierte Hierarchie bei Apple einfach nicht kognitive Kapazität gehabt zu haben, um das Projekt mit dem Antrieb voranzutreiben wie es notwendig gewesen war. Das hat man bereits beim Bau der Apple Park-Zentrale gesehen zu haben, wo das Team so sehr damit beschäftigt war, dass kaum Zeit blieb an neuen Produkten zu arbeiten. Unter Tim Cooks Führung gab es seither nur die schon unter Jobs begonnen iWatch und jetzt die Apple Vision Pro Virtual Reality-Brille, die seit 2011 als neue Produkte gelauncht worden waren.

Weiters ist mit generativer KI, die durch OpenAIs ChatGPT plötzlich in aller Munde ist, ein wahres Wettrennen um die KI-Dominanz ausgebrochen. Und das könnte Apple gezwungen haben, sich zu fokussieren und alle Ressourcen auf die Entwicklung von KI und großen Sprachmodellen, wie auch der von eigenen KI-Chips zu werfen. Denn nicht mal 8 Kilometer von Apples Zentrale ist ein neuer Gigant und Mitbewerber fast wie aus dem Nichts entstanden: Nvidia. Dieses Unternehmen liefert heute 90 Prozent aller KI-Chips und da darf Apple nicht nachstehen.

Was nun?

Diese Meldung bedeutet nicht, dass Apple seine Automobilpläne gänzlich aufgibt. Denn aus dem kalifornischen Disengagement Report 2023 wurde deutlich, dass Apple seine Entwicklungsaktivitäten beim autonomen Fahren im letzten Jahr mehr als verdreifacht hat. Von 200.154 Kilometern im Jahr 2022 stieg die Zahl auf 724.390 Kilometer. Fokussiert sich Apple nun auf das autonome Fahren und entwickelt eine Art „Autonomes Fahren in der Box„, das anderen Herstellern angeboten wird? Kann diese Technologie auch auf andere mobile Geräte wir Roboter aufgepfropft werden?

Handlungsbedarf besteht, denn immerhin lauert für Apple Car Play die Gefahr, dass Automobilhersteller die Integration einstellen und stattdessen ihre eigene Software auf ihren Fahrzeugen bevorzugt einsetzen wollen. General Motors hat solch einen Schritt bereits angekündigt.

Die schon erwähnte KI, die wir momentan vor allem als Sprachbots sehen, sind gerade dabei in andere Softwaresystem als autonome KI beziehungsweise KI-Assistenten und auf physische Geräte wie Smartphone, Autos, Roboter und Maschinen integriert zu werden. Wir stehen hier vor einer kambrischen Explosion von KI-gesteuerten Robotern und Maschinen, die gerade in atemberaubender Geschwindigkeit entstehen. Dazu habe ich übrigens Ausführliches in diesem aktuellen Buch geschrieben: Kreative Intelligenz

KREATIVE INTELLIGENZ

Über ChatGPT hat man viel gelesen in der letzten Zeit: die künstliche Intelligenz, die ganze Bücher schreiben kann und der bereits jetzt unterstellt wird, Legionen von Autoren, Textern und Übersetzern arbeitslos zu machen. Und ChatGPT ist nicht allein, die KI-Familie wächst beständig. So malt DALL-E Bilder, Face Generator simuliert Gesichter und MusicLM komponiert Musik. Was erleben wir da? Das Ende der Zivilisation oder den Beginn von etwas völlig Neuem? Zukunftsforscher Dr. Mario Herger ordnet die neuesten Entwicklungen aus dem Silicon Valley ein und zeigt auf, welche teils bahnbrechenden Veränderungen unmittelbar vor der Tür stehen.

Erhältlich im Buchhandel, beim Verlag und bei Amazon.

Apple selbst kann sich als Hardwarehersteller einen solchen Trend nicht entgehen lassen, denn diese KI-integrierten Geräte bedrohen das eigene Geschäftsmodell. Immerhin ist damit direkt das erfolgreichste Produkt Apples, das iPhone, bedroht.

Mündet damit Apples Entscheidung, das Projekt Titan einzustellen, stattdessen darin, einen Autohersteller zu kaufen? Es gäbe eine Reihe von Unternehmen die sich anböten. Sowohl Lucid Motors als auch Rivian stehen vor finanziellen Herausforderungen und könnten in die Apple-Philosophie passen. Oder kauft man doch lieber Mercedes-Benz oder Canoo? All diese Unternehmen könnte Apple finanziell locker aufschnupfen, und es gäbe eingespielte Fertigungen. Kulturelle Unterschieden wären wohl die Herausforderung.

Eines ist klar: die nächsten Schritte, die Apple machen muss, werden zu einigen Umschichtungen in den betroffenen Branchen führen. Apple ist hier wieder einmal nicht der Vorreiter, sondern ein Follower. Das Unternehmen muss sich bemühen, dabei Fast Follower zu bleiben, denn sonst könnte es sehr rasch nicht mehr aus einer Position der Stärke agieren, sondern gezwungen sein, zu reagieren. Und vor allem zeigt sich hier, dass Apple einen Visionär braucht und wohl auch langsam einen Nachfolger für Tim Cook aufbauen muss.

Growth Mindset für Manager

Wie können Mitarbeiter und Führungskräfte ein Fixed Mindset erkennen und sich und anderen zu einem Growth Mindset verhelfen?

Dieser Kurs erklärt, was ein Fixed und Growth Mindset ist, gibt Gründe, warum wir ein Growth Mindset für uns selbst, für andere und für Organisationen anstreben sollten, und zeigt Wege, wie man Fixed Mindset erkennt und zu einem Growth Mindset bringt.

Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.

2 Kommentare

  1. Vermutlich verfolgte Apple schon eine Vision, denn letztendlich ist Apple dazu verdammt, dass wenn sie schon ein Auto herstellen, dass sich dieses vom Markt abhebt. Auf der anderen Seite fordern „iJünger“ gnadenlose Qualität ein. Das ganze hat seinen Preis, den ich nicht kenne, den ich aber durchaus auf das Zehnfache seines jetzt schon in seinem Heimatmarkt erhältlichen chinesischen Äquivalents schätzen würde. Daher ging ich schon länger davon aus, dass Apple sein iCar höchstens als Service, ähnlich wie Waymo oder Cruise anbieten würde.
    Apple hat mit dem iPhone diese Geräteklasse definiert – alle Smartphones sehen aus 10m Entfernung gleich aus. Früher konnte ein Siemens locker von einem Nokia unterschieden werden.
    Genau das hat Tesla im Automobilbereich längst geschafft. Das Model Y, der neue „Welt-Golf“ der zum autogewordene gemeinsame Nenner der Wünsche, die Kunden nur haben können. Wie soll das Apple toppen?
    Letztendlich hat sich Apple wohlmöglich einen Gefallen getan, diesen Gaul nicht weiterzureiten. Für umsonst war es nicht. Angesammeltes „Titan“ Know-How und Daten lassen sich sicher vergolden.

    Like

Hinterlasse eine Antwort