Das Sommerloch in der Berichterstattung scheint es nicht mehr zu geben, denn die Meldungen zur VW-Tochter MOIA, die einen Robotaxidienst entwickelt, reißen nicht ab. Vor wenigen Wochen stellte das Unternehmen mit Volkswagen auf dem UITP Summit in Hamburg sein Robotaxi vor, dass ab kommenden Jahr zum Einsatz kommen soll, doch nur vier Wochen später kommt die Meldung, dass MOIA seinen Fahrdienst in Hannover eingestellt hat. Nach Wintertests in Oslo, einen Testprogramm in London, Vorbereitungen für einen Launch mit Uber in Los Angeles, bleibt aktuell nur mehr der Betrieb in Hamburg.
MOIA-CEO Sascha Meyer begründet die Einstellung in Hannover mit einer strategischen Neuausrichtung vom Fahrdienstleister zum Selbstfahrtechnologieentwickler, der unklaren Marktpositionierung, wo man in den Wettbewerb mit anderen Fahrdienstleistern aufgetreten ist, und – kurioserweise – der in Hannover höheren Mehrwertsteuer (19%) im Vergleich zu Hamburg (7%). Ist das bei der Entwicklung von neuer Technologie wirklich ein Argument?

Warum wir Hannover einstellen? Weil… a) wir unsere Entwicklungsziele im manuellen Fahrdienst erreicht haben, b) Hannnover für uns aufgrund der Rahmenbedingungen (kleinere Flotte, 19 statt 7% MwSt., stark abgenommenes Nutzungsverhalten nach Covidzwangspausen) wirtschaftlich nicht tragfähig war, c) wir uns strategisch vom Mobilitätsanbieter zum Technologieanbieter weiterentwickelt haben und unsere AD Ökosystem Entwicklung in D in Hamburg durchführen, d) wir bei weiteren B2C Aktivitäten eine unklare Markenposition mit wettbewersrechtlichen Herausforderungen hätten, e) wir durch neue internationale Partnerschaften unser Development auf dieses Wachstumsmodell fokussieren.
Man würde sich erwarten, dass man vor dem Beginn der Aufnahme eines Robotaxibetriebs entsprechende Tests mit dem gerade vorgestellten Robotaxi ID.Buzz AD aufnimmt, und zwar auch in Regionen, in denen man vielleicht bereits einen Fahrdienst betreibt, und damit auf die bereits damit vertraute Öffentlichkeit als Testpassagiere zugreifen kann. Eine Einschränkung von Aktivitäten scheint da wenig vertrauensbildend.
Angesichts meiner 10 Faustregeln, mit denen ich zu verstehen versuche, wie gut ein Selbstfahrtechnologieunternehmen, sehe ich diese Entwicklung kritisch. Hinzu kommen Meldungen vom Partner Mobileye, der die Selbstfahrtechnologie für das MOIA Robotaxi stellt. Und ja, die Technologie kommt von einem Drittanbieter. Mobileye ist eine Tochter des Chipgiganten Intel, der seit Jahren mit Schwierigkeiten kämpft und mehr und mehr den Anschluss an Nvidia, das 40x mehr wert ist, und AMD (2,5x so viel wert) verliert. Mobileye selbst hat einen Quartalsumsatz von etwa $500 Millionen pro Quartal, mit einem Gewinn von um die $100 Millionen. Trotzdem scheinen diese Beträge nicht ausreichend, wenn man die Unsummen bedenkt, die andere Unternehmen bislang in die Entwicklung von Selbstfahrtechnologie gesteckt haben. Waymo hat kolportierte $20 Milliarden ausgegeben, und GM mit Cruise $10 Milliarden, bevor das Projekt eingestellt wurde.
MOIA Anteile
Wie nun das manager magazin berichtet will VW-CEO Oliver Blume Anteile der Tochter MOIA, die durch die VW-Einheit ADMT (Autonomous Driving, Mobility & Transport) verwaltet wird, verkauft werden. Auch andere Teile des Unternehmens sollen abgestoßen werden, mit denen sich VW €6 bis €8 Milliarden erhofft.
Was Senger den Topleuten nicht offenbarte: Er bietet nicht nur seine Robotaxis an – sondern auch Firmenanteile. Volkswagen plant eine größere Kapitalerhöhung und stellt darüber einen Minderheitsanteil zum Verkauf. Das bestätigten mehrere Beteiligte dem manager magazin. Konzernchef Oliver Blume (57) habe die Linie vorgegeben, man solle die Kontrolle über ADMT und damit über Moia behalten. Aber der Einstieg eines strategischen Partners und eventuell auch von Finanzinvestoren wäre gut. Die Suche habe bereits begonnen, heißt es im Markt.
Zwar sollen nur Minderheitsanteile an ADMT/MOIA verkauft werden, doch aus vergangenen Erfahrungen weiß man, wie rasch VW Einheiten einstellen und abstoßen kann, vor allem wenn es hilft, den Shareholder Value und damit auch das Bonuspaket des Vorstandes zu erhöhen. Denn die langfristige und sehr kostspielige Entwicklung von Selbstfahrtechnologie ist in Unternehmen, die wie bei Volkswagen alle 2 bis 3 Jahre einen Wechsel an der Vorstandsspitze erleben, wenig Lob versprechend. Ein VW-CEO, der heute massive Kosten für die Entwicklung verursacht, wird mit Sicherheit nicht die Früchte dafür ernten, sondern erst, wenn überhaupt, der Nach-Nach Nachfolger. Kurzfristig macht es somit für Oliver Blume (oder Mary Barra von GM) sehr viel Sinn, diese Ausgaben zu verringern und diese Einheiten abzustoßen oder sterben zu lassen.
Und das passierte bereits. Bestes Beispiel aus dem Bereich des autonomen Fahrens war Argo, an dem VW und Ford gemeinsam zuerst $3,6 Milliarden (davon $2,6 Milliarden von VW) gesteckt hatten, nur um das US-Startup dann Ende 2022 sterben zu lassen. Auch andere Automobilhersteller haben ihre Selbstfahrentwicklungsbemühungen eingestellt. So schrieb GM mit Cruise Ende 2024 eine Investition von $10 Milliarden ab und stellte das Unternehmen ein.
Anteile zu verkaufen ist nicht unbedingt etwas Alarmierendes oder Schlechtes. Damit können finanzielle Ressourcen in die Kassen gespült werden, die für die Entwicklung der Technologie und zum Expandieren des Betriebes Verwendung finden. Gleichzeitig können damit strategische Partner mit an Bord gebracht werden, die mit ihrer eigenen Expertise dazu beitragen können. Waymo führte das vor, als in zwei Runden einmal $2,25 Milliarden und $5,6 Milliarden an Finanzierung aufgestellt wurden. Beteiligte Unternehmen umfassten unter anderem Magna und AutoNation. Und ein wichtiges Detail: das eingehobene Kapital wurde Waymo zur Expansion bereitgestellt. Das sieht man bei dem MOIA-Anteilsverkauf durch VW aber nicht. Die Mutter will die Gelder scheinbar zu anderen Zwecken verwenden.
Nicht nur sind die Kosten der Entwicklung von autonomen Autos extrem hoch und damit für traditionelle Hersteller nur schlecht zu stemmen, auch die Firmenkultur kommt in die Quere. Ein durch den Maschinenbau geprägtes Unternehmen tut sich schwer mit der völlig anderen Herangehensweise und Kultur von Softwareentwicklung. Ein Beispiel illustriert das sehr schön: Um mehr Autos bauen zu können ist eine einfache Vorgehensweise einfach mehr Leute einzustellen und auszubilden, die dann die Autos produzieren. In der Softwareentwicklung ist diese Vorgehensweise aber kontraproduktiv. Mehr Programmierer, mehr Personal bedeuten mehr Friktion und Koordinationsaufwand. Erfahrene und produktive Programmierer können sich damit nicht mehr auf die eigentliche Arbeit – der Softwareentwicklung – konzentrieren, sondern ihnen werden immer mehr Koordinations- und Schulungsaufgaben aufgebürdet. Die Softwareentwicklung verlangsamt sich, die Qualität sinkt.
In anderen Worten: Man kann die Schwangerschaftsperiode nicht verkürzen, indem man acht weitere Frauen hinzufügt und meint, die Schwangerschaft wäre damit in einem Monat erledigt.
Das nicht zuletzt größte Problem für traditionelle Hersteller ist das Geschäftsmodell. Dieses war die vergangenen hundert Jahre einfach: man verkaufte Autos an Kunden. Was diese damit machten war deren Sachen. Ein Robotaxi-Betrieb stellt aber ein völlig anderes Geschäftsmodell für die Hersteller da, und genau das hatte GM erkannt, und genau das scheint auch VW zu verstehen. Einen Robotaxi-Fahrdienst zu betreiben ist ein anderes Geschäft mit anderen Regeln, anderen Kapitalaufwänden, Profitmargen, anderer Expertise, während man gleichzeitig mit den eigenen Kunden in den Wettbewerb steigt. Taxiunternehmen, die sich einem Robotaxidienst von MOIA konfrontiert sehen, sind erbost. Die eigenen Kunden wie Taxiunternehmen, zu denen man jahrzehntelang Beziehungen aufgebaut und gepflegt hat, springen nun ab. Das schafft innerhalb und außerhalb des Herstellers böses Blut.
Schlussfolgerung
Die schnelle Aufeinanderfolge von kritischen Nachrichten, wie auch die Analysen zur unternehmerischen und technischen Aufstellung von MOIA, wecken wenig Vertrauen darin, dass es je einen kommerziellen fahrerlosen Robotaxidienst von der VW-Tochter geben wird, geschweige denn das Unternehmen mittel- und langfristig Bestand hat. Hier ist ein Fall, wo ich mir wünschen würde, dass ich falsch liege.
Ich möchte an dieser Stelle nochmals ausdrücklich darauf hinweisen, dass die in der deutschen Berichterstattung immer implizit oder explizit ausgedrückte Aussage, Deutschland sei und ganz vorne bei der Entwicklung von autonomen Autos mit dabei, oder habe sogar die Mitbewerber ein- oder überholt (Tesla, Waymo etc.) ganz und gar nicht der Realität entspricht. Deutschland, und das muss ich klar sagen, liegt 5 bis 7 Jahre hinter den USA. Punkt!
Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.
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