Die Rauchschwaden sind verzogen, das Getönse verstummt, der Champagner gekippt und die Brötchen verzehrt, und wir können uns mal näher mit dem Porsche Taycan abseits von Marketing beschäftigen.
Einige Zahlen wurden ja gestern schon eifrig diskutiert, und die sind ja durchaus passabel. Manche sinnfreie Versuche, wie das dreißigmalige Beschleunigen auf 200 km/h, oder die Fahrt und das abbremsen auf dem Flugzeugträger USS-Hornet, sind zwar nett, und zeigen das Potenzial und Limit des Fahrzeugs, aber sie sagen nichts über die Alltagstauglichkeit.
Getriebe
Eine Diskussion, die sich um die Frage dreht, warum der Taycan trotzdem in einigen Daten wie der Reichweite oder der Beschleunigung nicht oder nur knapp an das Tesla Model S heran reicht, dreht sich um das in der Vorstellung gezeigte Zweiganggetriebe.

Zuerst einmal ist es überraschend, dass ein Elektroauto ein Getriebe hat und die Elektromotoren ihr Drehmoment nicht direkt auf die Räder bringen dürfen. Der Vorteil bei höheren Geschwindigkeiten auch dann noch die Beschleunigung auf die Straße bringen zu können, verblasst bei den sonst üblichen Geschwindigkeiten.
Michael Schwekutsch, vormals VP of Engineering im Antriebsstrang bei Tesla und nun bei Apple, führt an, dass bei Teslas Model 3 ein Zweiganggetriebe gerade Mal zwei Prozent an Effizienzverbesserung bei höheren Geschwindigkeiten bringen würde, dieser Vorteil aber durch die Reibungsverluste bei der Kupplung, dem Nadellager und zusätzlichen Zahnrädern sofort mehr als wettgemacht würde. Und das bei jeder Geschwindigkeit. Ein solches Setup würde sich erst bei sehr großen und schweren Fahrzeugen wie einem SUV oder LKW auszahlen. Das Zweiganggetriebe macht das Fahrzeug zugleich auch schwerer.
Schwekutsch weist auch auf die beiden Permanentmagnetmotoren – vorne und hinten – hin, die beim Anhalten des Fahrzeugs mit einem Getriebe nicht in den Ruhezustand gesetzt werden können. Sie müssen vom Getriebe abgekoppelt werden, und dann fehlt das bei Elektrofahrzeugen bekannte sofortige Drehmoment. Das fiel bereits Jaguar bei der Entwicklung des iPace auf, die genau das versuchten.
Die Entscheidung ein Zweiganggetriebe in den Taycan einzubauen mag Porsche deshalb getroffen haben, weil es weniger um das Ausreizen jeder kleinen Möglichkeit für die Alltagstauglichkeit ging und die Reichweite und die Beschleunigung vom Stand aus als vernachlässigbar galt, sondern für den Sonderfall, dass der Taycan wirklich auf der Rennstrecke zum Einsatz kommt und dort seinen technologischen Vorsprung zeigt. Oder es stecken Gründe dahinter, die mehr mit der Historie des Unternehmens oder internen Machtstrukturen zu tun hat.
Jedenfalls summiert sich dieser Unterschied mit anderen Faktoren zu Nachteilen gegenüber dem Leader Tesla. Ein paar Prozentpunkte in der Batterie, ein paar in einem weniger effizienten Elektromotor mit einem Getriebe, da noch ein weniger ausgereiftes digitales Batteriemanagement, und schon liegt man doch zurück. Und das in einer Preisklasse, die weit nördlich von der von Teslas Fahrzeugen sind.
Vorsätzliche Leistungsdrosselung
Während Porsche bereit ist, alles technologisch Mögliche auszuprobieren und auszureizen, so sind andere Hersteller in ihrer alten Denke gefangen. Der Audi e-tron, der Mercedes EGC und die Mercedes B-Klasse, oder der Jaguar iPace sind tatsächlich vorsätzlich limitiert.

Als Beispiel möchte ich die ehemals elektrifizierte Mercedes B-Klasse nennen, die den elektrischen Antriebsstrang von Tesla erhielt (damals, als Daimler noch Anteile an Tesla hielt). Weil eine B-Klasse nicht bessere Leistungsdaten als Mercedes-Fahrzeuge aus höherpreisigen und sportlicheren Fahrzeugklassen haben durfte, wurde die Leistung des B-Klasse Tesla-Antriebsstrang gedrosselt. Damit erhielten Kunden nur eine Maumau-Lösung, die keinen Appetit auf das Fahrgefühl eines Elektroautos brachte.
Der Jaguar iPace wiederum darf dem sportlichen F-Type aus dem eigenen Hause nicht Konkurrenz machen, was der iPace als Elektroauto ohne Probleme schaffen würde.
Ladestationen
Um zum Taycan zurückzukommen, schauen wir doch auf die Ladeleistung. Mit 270 kW und 100 Kilometern die in 5 Minuten ins Fahrzeug gedrückt werden können, ist Porsche etwas Eindrucksvolles gelungen. Doch das ist alles theoretisch. Diese Ladestation muss man mal finden, und von denen gibt es nur eine Zahl im unteren zweistelligen Bereich. Die Zahl verblasst gegenüber den 14.000 Superchargern die Tesla heute schon vorweisen kann.
Kein Wunder, dass Porsche bis 2022 weitere €6 Milliarden investieren muss. Will man die Laune der Porsche-Kunden für den elektrischen Sportwagen aufrechterhalten, dann hilft die beste Ledernaht und das edelste Interieur nichts, wenn ich an der Autobahn 3 Stunden warten muss, bis ich 100 Kilometer geladen habe, während die Teslafahrer vorbeiziehen.. Da steht Porsche viel Arbeit bevor.
Autopilot
Was hat ein autonom fahrender Sportwagen noch für eine Existenzberechtigung? Eigentlich keine. Sicher, man kann sich mal die Fahrweise von Michael Schuhmacher oder Ayrton Senna reinladen und dann wird man nur mehr kotzen, wenn das Fahrzeug so wirklich fährt. Aber Ein Sportwagen den man nicht selbst mehr fahren kann ist kein Spaß. Und genauso denkt Porsche, und deshalb ist da auch kein Plan für ein autonomes Fahrprogramm. Außer, wir sprechen von der Wartung, wo Porsche Versuche macht das Fahrzeug völlig autonom zwischen Parkplatz und Werkstatt fahren zu lassen.
Aber das ist eine eigene Diskussion.
Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.
Woher kommt die Zahl von einer kleinen Zweistelligen Summe an Ladestationen die die 270 kW des Taycan liefern können?
Allein in Europa stehen stand heute >140 Ladeparks von Ionity à mindestens 4 Ladestationen die die Leistung liefern können. Dazu kommen noch andere Anbieter wie das Allego Mega E Projekt und andere.
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Ich bezog mich auf die von Porsche selbstt installierten Supercharger: https://de.chargemap.com/networks/porsche
Aber selbst wenn man die von anderen Anbietern hinzurechnet, kommt man nur auf einen Bruchteil der von Tesla angebotenen 14.000+
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Abgesehen davon ist der Vergleich auch nicht ganz zutreffend. Porsche beteiligt sich an Ionity und setzt auf öffentliche Ladeinfrastruktur. Tesla baut eigene und macht es mit dem Model 3 möglich auch die restliche zu nutzen.
Des Weiteren ist es für ein massenmarkttaugliches Fahrzeug wie das Model 3 auch nötig wesentlich mehr Ladeinfrastruktur vorzuhalten als für einen eltären Porsche Taycan.
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Die auf der Seite aufgelisteten Lader sieht, bis auf zwei, Destination Charger.
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„an der Autobahn 3 Stunden warten muss, bis ich 100 Kilometer geladen habe“
Wieso das denn? 50 kW sind doch mindestens drin (die öffentlichen „alten“ Schnelllader). Mit dem sog. „Booster“ Zubehör noch schneller
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