Mit der Coronaviruskrise schwirrt auch wieder das Gespenst der Abwrackprämie in Deutschland herum. Man erinnere sich: das war eine staatliche Prämie, die nach der Finanzkrise 2008 in Deutschland eingeführt worden, um die Absätze der Automobilindustrie anzukurbeln. Insgesamt 5 Milliarden Euro waren dafür aufgewandt worden, jedes Fahrzeug wurde dabei mit 2.500 Euro gesponsort. Der Nutzen selbst war widersprüchlich. Zwar half es den Unternehmen die Zeit zu überbrücken, bis die Weltwirtschaft wieder anlief, allerdings fielen die Schrottpreise und auch wurden unnötig viele Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen, die noch nicht das Ende ihrer Lebenszeit erreicht hatten, was sich rechnerisch schlecht auf den Klimabeitrag auswirkte. Der eigentlich angepeilte Umweltnutzen war bis auf die Lärmreduktion durch neue Autos nicht zu bemerken.
Finanzreserven
Die Finanzreserven der deutschen Autobauer im März waren laut Wirtschaftswoche nicht so schlecht. So hatte VW im März 17,8 Milliarden Euro an Reserven, Daimler 9 Milliarden plus eine Kreditlinie von weiteren 12 Milliarden, die zu 11 weiteren bereits bestehenden Milliarden an Kredit kommen; und BMW hat mehr als 18 Milliarden an freien Cashflow plus eine weitere Milliarde an Kreditlinie. Die Frage natürlich ist, wie rasch diese sinken und wie lange es dauert, bis wieder eine zufriedenstellende Nachfrage herrscht. VW brauchte 3.5 Milliarden von Dezember bis März und erwartet, dass während der Krise 2 Milliarden pro Woche verzehrt werden.
Ein schlechter Liebhaber
Mit Umsatzeinbrüchen von zwei Dritteln für den April, klopfen die Autobosse wieder bei der deutschen Regierung an, um eine Abwrackprämie, oder wie sie jetzt heißt, „Kaufprämie“ zu fordern. Angesichts der Ereignisse seit 2009, dem Verhalten der Automobilindustrie bis jetzt, und dem beschränkten Nutzen der Abwrackprämie für viele der angepeilten Ziele, sollte dieser Fehler nicht wiederholt werden. Die Umbenennung in Kaufprämie lässt schon darauf schließen, dass man lieber gleich mit der Illusion Schluß macht, hier irgendwie umweltfreundlichere Fahrzeuge – Stichwort Elektroauto – verkaufen zu wollen. Die hat man gar nicht in ausreichender Stückzahl im Repertoire.
Man vergesse nicht, dass zwischenzeitlich der Dieselskandal und die Preisabsprachen aufgedeckt worden waren. Durch Betrug und Absprache, an der alle deutsche Hersteller beteiligt waren, haben sie Deutschland und der Welt materielle und immaterielle Schäden (z.B. die Reputation Deutschlands und der deutschen Industrie in der Welt) zugefügt, die wir nicht so einfach vom Tisch wischen sollten.
Man vergesse nicht, dass VW bis dato mehr als 29 Milliarden Euro an Strafen und Schadensersatzzahlungen bezahlen musste. Auch Daimler und BMW wurden zu Milliardenstrafen verurteilt. nach wie vor, vier Jahre nach der Aufdeckung des Dieselskandals, verhandelt man immer noch um Schadensersatzzahlungen von VW an die irregeführten Autokäufer.
Diese Beträge, die man da bisher an Strafen und Schadenersatz zahlen musste, kämen auch ganz handlich in einer Zeit wie dieser, wo man Geld braucht. VW könnte 29 Milliarden Euro zu seinen jetzigen Bargeldreserven von 17,8 zählen. Da taucht man schon mal ein paar Wochen länger durch die Krise. Man sollte an der Stelle sich auch nochmals das Gebaren um Aktienrückkäufe in den vergangenen Jahren ansehen. Auch diese dienen vorwiegend dazu, den Aktienkurs kurzfristig zu erhöhen und die Boni der Vorstände in die Höhe zu treiben, führen aber zu einer Verringerung der Bargeldreserven, die beispielsweise in Innovation investiert werden oder in einer Krise helfen könnten.
Aus diesen Gründen sollte wir es uns wohl überlegen, ob wir den Autobauern wieder mit derselben Methode unter die Arme greifen wollen. Wir helfen einem Liebhaber oder Geschäftspartner, der uns betrogen hat, auch nicht noch einmal, ohne uns vorher zu versichern. Oder eben gleich eine andere Methode anzuwenden, weil wir mittlerweile wissen, dass die alte Methode nicht den gewünschten Effekt hatte.
Infrastruktur statt Konsumprämie
Wir sollten uns ein Vorbild an Kalifornien nehmen. Nach dem Dieselskandal hat Kalifornien VW verdonnert, zwei Milliarden Dollar in das Programm Electrify America zu stecken und an fast eintausend Standorten USA-weit Ladestationen (mit CCS, CHAdeMO und J1772 Anschlüssen) für Elektroautos aufzustellen und für alle Elektroautos, nicht nur für die von VW, zugänglich zu machen.
Was wäre, wenn die Autobauer ein paar Steuermilliarden erhalten, die ausschließlich in eine Ladeinfrastruktur für Elektroautos genutzt werden dürfen? Investitionen in Infrastruktur erzeugen immer einen lange anhaltenden Mehrwert, wie beim Straßenbau, Telekommuniaktion oder Energie in der Vergangenheit zu sehen war. Ein Electrify Germany (als Vorschlag für einen Namen) triebe dann den Verkauf von Elektroautos an und nicht den von Verbrennungskraftfahrzeugen. Skeptischen Käufern mit Reichweitenangst wäre diese Sorge mit einem flächendeckenden Schnellladenetz genommen. Gleichzeitig könnte die Prämie auch dazu genutzt werden, Ladestationen in Privathaushalten zu fördern und die Installationen zu erleichtern. Und man könnte sicherlich eine weitere Reihe von förderbaren Maßnahmen finden, die indirekt den Verkauf von umweltfreundlichen Transportmitteln ankurbeln können und diese Initiative mächtiger machen.
Eine direkte Förderung der Produktion von Elektroautos würde den Herstellern einfach nur das Geld lassen, ihre Verbrenner weiterzuentwickeln und – nach der Krise – die Investitionen in Elektroautos wieder runterzufahren.
Und wie man in Kalifornien sah, profitierte auch VW von der Strafe. Die Vorstellung des Audi e-tron in San Francisco machte damit Werbung, dass dieses Auto selbstverständlich auf diese Ladeinfrastruktur zurückgreifen kann. Diese „Strafe“ wandelte sich in einen Wettbewerbsvorteil, den auch VW erkannte.
Also, statt Kaufprämie lieber eine Electrify Germany-Initiative. Die Zukunft wird es uns danken.
Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.
Ich finde es richtig, von den Herstellern zu verlangen, dass sie sich am Aufbau der Infrastruktur beteiligen, die notwendig ist, damit sie zukunftsfähige Autos verkaufen (= weiter Geld verdienen) können. Ich finde es aber falsch, sie dafür mit Steuergeld zu unterstützen, denn das wird andernorts viel dringender gebraucht!
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