Wenn es eine Aktie zu verfolgen, wenn schon nicht zu verstehen, gibt, dann ist das die Tesla-Aktie. Nach Rekordbewertungen, die in den letzten Monaten die Aktie von einem Hoch zum nächsten steigen sah, lag sie am heutigen Montag nochmals gewaltig zu. Um 12 Prozent stieg der Kurs von knapp über 1.544 Dollar auf aktuell 1.760 Dollar. Und damit schnellte die Marktbewertung von Tesla auf 327 Milliarden Dollar – und der Handelstag hat gerade erst begonnen.

Eine bemerkenswerte Vervierfachung des Aktienkurs, stand doch Anfang des Jahres die Aktie bei 430 Dollar. Seit schon einigen Tagen ist Tesla damit das wertvollste Automobilunternehmen der Welt, und das obwohl der kalifornischer Elektroautohersteller 2019 gerade einmal 367.500 Autos produziert und verkauft hat. Tesla ist damit beispielsweise mehr wert als VW, Honda, Daimler, BMW, GM, Ford, Fiat und Suzuki zusammen genommen. Und auch 50 Prozent mehr wert als der zweitgereihte Toyota.

Damit hat Tesla auch das zweite von Aufsichtsrat gesteckte Ziel geschafft und damit einen weiteren Megabonus für Elon Musk. Der Tesla-Chef hatte als eine der Zielvorgaben, den Aktienkurs in 12 Tranchen um je 50 Milliarden Dollar zu heben. Für jede 50 Milliarden (und weiteren Zielen) kann er auf eine Ausschüttung von mehr als 600 Millionen Dollar weiteren Aktien erwarten. Das war im März 2018, als der Tesla=Marktwert bei unter 50 Milliarden Dollar lag.
Mögliche Gründe
Was sind nun die Gründe für diese absurd erscheinende Kursrallye? Mehrere Faktoren tragen aktuell dazu bei:
- Short Squeeze
- Besser als erwartete Zahlen für das 2. Quartal
- Terminfixierung des Battery Day
- Ankündigung von Level 5 Autopilot
- Anstieg von Kleinanlegern
Ad 1: Tesla ist eine der am meisten geshorteten Aktien am Markt. Börsenhändler spekulieren dabei auf einen Verfall der Aktie. Einfach gesagt handelt es sich bei Shorts um eine Art Versicherungsgeschäft für Aktienkäufer. Es kommt eigentlich aus dem Wechselkursgeschäft, bei dem Produzenten sicherstellen wollten, dass sie bei einer Lieferung ins Ausland in anderen Währungen nicht bei Wechselkursschwankungen Verlust machen, wenn die Rechnung vom Käufer bezahlt wird.
Und hier ist es ähnlich, nur geht es hier nicht um Währungen, sondern um Aktien. Die Käufer wollen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft Aktien zu einem bestimmten Preis kaufen. Ein Händler gewährleistet die Aktien – gegen einen Aufschlag – zu einem Termin in der Zukunft um diesen Preis zu besorgen. Ist der Kurs niedriger als mit dem Käufer ausgemacht, verdient der Händler zusätzlich die Differenz zwischen den Kursen. Er konnte ja günstiger zukaufen. Ist der Aktienpreis allerdings höher, verliert er.
Hat der Händler sich verspekuliert und steht er davor, dem Käufer die Aktien zu dem niedrigen zu liefern, dann beginnt ein Run auf Aktien am Markt. Wenn das Angebot nicht mit dem Angebot mithalten kann, kann es bei solchen ‚geshorteten‘ Aktien zu massiven Kursanstiegen kommen. Und genau das scheint bei Tesla (wieder einmal) der Fall zu sein.
Ad 2: Nachdem Tesla schon die Verkaufszahlen für das zweite Quartal 2020 bekannt gegeben hat, und diese trotz der Schließung der Fabrik wegen Corona und der Wirtschaftslage während der globalen Pandemie über den Analystenerwartungen gelegen war, steht diese Woche die Bekanntgabe der Quartalszahlen bevor. Es scheint hier erwartet zu werden, dass Tesla einen Gewinn, vermutlich knapp, bekannt geben wird. Damit hätte Tesla im vierten Quartal in Folge Gewinn eingefahren und würde damit auch in den S&P Standard aufgenommen werden.
Ad 3: Wegen Corona verspätet ist der 22. September 2020 als Tag der Aktionärshauptversammlung und des Battery Days festgelegt worden. Beim Battery Day wird erwartet, dass Tesla eine neue Generation an eigener Batterietechnologie bekanntgeben wird, die einen Durchbruch bei Reichweite und Haltbarkeit bedeuten könnte. Batterietechnologien stellen sich als die aktuell wichtigste Komponente beim Bau von Elektrofahrzeugen und anderen Produkten heraus. Aktuell hat Tesla mit seinen Batterien und Technologien die beste Kombination von Preis und Leistung von allen Elektroautoherstellern am Markt. Nicht zu vergessen ist, dass Batterien den ‚heiligen Gral‘ für die Speicherung von Energie aus wind- und sonnenabhängigen, nachhaltigen Energietechnologien darstellen.
Ad 4: Tesla-Chef Elon Musk verkündete vor einigen Tagen, dass die ‚Basisfunktionen‘ für den Tesla Autopiloten Level 5 mehr oder weniger mit diesem Jahr gelöst seien. Er ging dabei nicht näher darauf ein, was er genau unter ‚Basisfunktionen‘ verstand. Sollte das so stimmen – und hier wollen wir ein bisserl skeptisch bleiben – dann könnten damit völlig neue Geschäftsmodelle Tesla weitere Einkunftsquellen bieten, wo die Fantasie uns keine Limitation mehr gibt.
Zu den möglichen weiteren Geschäftsmodellen und Erlösquellen habe ich schon mal hier einen ausführlicheren Artikel geschrieben.
Ad 5: Nicht unterschätzen darf man, dass seit dem Corona-Lockdown eine große Zahl an Kleinanlegern die Börse für sich entdeckt haben. Handelsplattformen wie Ameritrade oder E-Trade vermelden Rekordzuwächse bei neuen Aktienkonten, und diese spekulieren fleißig mit. Das sieht man auch an den Aktienkursen und Marktwerten, die völlig entkoppelt von den Wirtschaftsdaten scheinen.
Schlussfolgerung
Ob sich die Kursentwicklung bei Tesla weiterhin so gestalten wird können, ist unklar. Tesla legt jedenfalls ein hohes Tempo vor, mit mehreren neuen geplanten Fabriken in den USA, Deutschland und Asien, und Erweiterungen bestehender Produktionsstätten. Auch zeigt sich mehr und mehr, dass Tesla nicht nur als reiner Automobilhersteller betrachtet werden darf, sondern als digitales Energieunternehmen. Die Powerwalls scheinen an Traktion zu gewinnen und mehr digitale Geschäftsmodell zum schlagen zu kommen.
Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.
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