Best of Scheiße: Wie deutsche Hersteller und Politiker die Zukunft ihrer Autoindustrie zerstören

Ein Jahr ist es nun her, dass Volkswagen zugeben musste, Betrugssoftware in Millionen an Dieselfahrzeuge eingebaut zu haben. In der Liste der Sünder tauchen immer mehr Hersteller auf, zuletzt musste der Audi-Entwicklungschef gehen, nachdem interne Emails den Betrug auch bei der VW-Tochter enthüllten.

Seit einem Jahr sollte es klar sein, dass die Zukunft des Dieselmotors ein Ende erreicht hat. Dass Diesel maßgeblich zu den Schadstoffproblemen von Städten beiträgt und obwohl das allen spätestens seit der Aufdeckung des Abgasskandals klar sein sollte, trotzdem nach wie vor subventioniert wird. Dass genau das Festhalten an einer Technologie am Ende ihres Lebenszyklus deutsche Hersteller zu Nachzüglern bei Elektromobilität macht. Nicht die deutschen Hersteller sind voran, sie sind hinten nach und müssen zusehen wie neue Unternehmen aus USA und China unter sich den Markt aufteilen. Selbst die Deutsche Post macht ihnen vor, wie man Elektroautos baut.

Best-of-Scheiße-Listen

Und trotzdem will man es in den Führungsetagen nicht kapieren und wahr haben. So postete Thomas Sedran, seines Zeichens Head of Corporate Strategy by Volkswagen, auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn stolz einen Bericht des Handelsblatts mit der Schlagzeile „Ausgerechnet VW liefert die saubersten Diesel“ eine Rangliste von aktuell verkauften Dieselmodellen verschiedener Hersteller und wie hoch sie durchschnittlich die Stickoxid-Grenzwerte überschreiten.

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Diese Liste ist nichts anderes als ein Wettbewerb der Schlechtesten. Was hilft es der Beste in einer Scheißliga zu sein wenn es viel besser wäre der Schlechteste in der besten Liga zu sein und dort die Welt zu verbessern?

 Hersteller  Faktor Grenzwertüberschreitung
 Volkswagen  1,8
 Seat/Skoda  2,1
 Audi  2,7
 BMW/Mini  3,0
 Mazda  3,6
 Honda  4,3
 Volvo  4,5
 Citroën  4,6
 Toyota  4,7
 Peugeot  5,3
 Jaguar/Land Rover  5,7
 Ford  5,8
 Kia  5,9
 Mercedes  6,4
 Hyundai  7,7
 Opel  10,0
 Renault/Nissan  14,4
 Fiat/Alfa Romeo  15,1

Was zuallererst ins Auge sticht ist dass alle Hersteller die europäischen Grenzwerte teils deutlich überschreiten. Volkswagen-Modelle als die besten in dieser Kategorie emittieren 1,8 Mal soviel wie erlaubt. Fiat/Alfa Romeo 15,1 Mal soviel.

Alleine die Tatsache, dass ein Jahr nach dem Auffliegen des Betrugsskandals beim Diesel, dem systemischen Problem dieser Technologie bei allen Herstellern, und den anhaltenden Umweltproblemen in Städten noch immer Dieselfahrzeuge verkauft werden und Diesel vom Staat subventioniert wird, sollte uns sprachlos machen.

Dies wird gerne mit den Arbeitsplätzen und den Kunden von Dieselfahrzeugen begründet. Dabei spielt genau das der Konkurrenz von Tesla und Co in die Hände. Hunderte, wenn nicht gar tausende deutsche Ingenieure bei Volkswagen wurde auf Diesel angesetzt, während man Elektrofahrzeugen keine Priorität einräumte und Tesla das Feld offen ließ. Selbst jetzt, als sich die Wende immer dramatischer abzeichnet, tut man alles um den Diesel zu verbessern und die Zukunft zu verhindern. BMW, das in der Liste vom Handelsblatt den Grenzwert um das dreifache überschritten, bekam tatkräftige Hilfe von Bayerns Ministerpräsident um die europäischen Grenzwerte niedriger zu halten und den Autobauern zu helfen.

Mit diesem Vorgehen und dieser Einstellung gefährden die Hersteller und die deutschen Politiker vor allem eines: die deutsche Autoindustrie. Mit Nachsicht im Betrugsfall, dem Einknicken bei Grenzwerten, der Subvention eines schädlichen Treibstoffs und dem Glauben an die Überlegenheit der eigenen Industrie verliert die deutsche Autobranche den Anschluss an die Zukunft. Während amerikanische und chinesische Hersteller reichweitenstarke Modelle bereits heute auf dem Markt haben und die Infrastruktur ausweiten, können deutsche Hersteller vor allem Fahrzeuge anbieten, die gerade mal das Minimum an gesetzlichen Vorgaben erreichen. Und diese Minimalvorgaben erreichen sie nicht um die Welt zu verbessern, sondern um mathematisch ihren Flottenverbrauch schön zu rechnen.

Argumente

Die Argumente sind ja teilweise erbärmlich. Nämlich was wäre gewesen wenn es den Dieselskandal nicht gäbe? Dazu gibt es zwei Betrachtungsweisen:

Fall 1) Die Öffentlichkeit wäre bis heute nicht hinter den Betrug gekommen

D.h. wir haben nach wie vor Autos auf den Straßen und im Verkauf, die nachweislich die Umwelt in einem Ausmaß belasten, dass es auf keine Kuhhaut geht. Und die Leute dahinter verdienen Geld auf unsere Kosten und schaden uns mit Gesundheit und Umwelt. Und die Städte die unter Stickoxid und Staubbelastungen leiden haben nach wie vor keine Ahnung warum es so schlimm ist.

Das Ganze geht auf Kosten von Elektromobilität, weil steuerlich und politisch das gut lobbyiert wurde und Dieselfahrzeuge billiger macht, als sie es verdienen und gegenüber elektrischen Fahrzeugherstellern besser da stehen.

Fall 2) Der Betrug wäre nie passiert

Dann wäre man schon viel früher drauf gekommen, dass es mit dem Diesel keine Zukunft gibt und hätte stattdessen deutsche Ingenieure auf Elektromobilität mit mehr Elan losgelassen. Und dann wären deutsche Autobauer führend in der Elektromobilität und nicht die Nachzügler und Möchtegerne und Ankündigungsweltmeister dem nichts folgt. Mittlerweile hat ja die Deutsche Post mehr Kompetenz in Elektromobilität als die deutschen Hersteller.

Schlußfolgerung

Wie auch immer, anhand des originalen Postings mit dem Stolz auf die Testergebnisse zeigt man bei VW, dass man nix verstanden hat. Da feiert man sich, dass man der Beste von den Schlechten ist. Das ist so als ob Kodak sich nach wie vor feiern würde, den besten Analogfilm herzustellen, Blockbuster sich feiert nach wie vor die größte Sammlung an VHS-Kassetten und DVDs zu haben, Nokia sich brüstet die tollsten Klapptelefone herzustellen.

Clayton Christensen, Autor von „The Innovator’s Dilemma“ hat bereits vor zwei Jahrzehnten gezeigt, dass zwischen 50-80% der Platzhirschen einer Industriegeneration in der nächsten Generation nicht mehr unter den Top 10 sind. Egal welche Industrie das auch ist, das Muster ist immer zu erkennen. VW und Audi wissen es noch nicht, aber sie sind eigentlich schon weg. Die Zukunft spielt ohne sie. Bei Kodak, Nokia oder Blockbuster hat das auch keiner geglaubt.

Bei VW hält man sich krampfhaft an solche Ergebnisse wie oben gepostet fest. Aber solch ein Ergebnis ist bereits heute irrelevant. Und die Schuld am Untergang der deutschen Automobilindustrie steckt einzig und alleine bei den Herstellern und den eigenen Politikern selbst. Wenn man meint der Beste von Scheiße sein zu müssen, dann braucht man sich nicht wundern, wenn die eigene Industrie den Bach runter geht.

Ausgerechnet VW liefert die saubersten Diesel

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Das Silicon-Valley-Mindset.

7 Kommentare

  1. Die Wortwahl muss in der Tat nicht sein. Das Innovators Dilemma ist sicher ein gutes Beispiel. Diejenigen, die im Motorenbau auf Evolution setzen wollen, tun dies aus kapitalistischen Erwägungen. Lieber vorhandenes mitnehmen, als riskant in unbekanntes investieren. Letztendlich wird es eher die Zulieferer treffen, die auf den Diesel gesetzt haben. Die Hersteller, die heutzutage eher auf Endmontage spezialisiert sind, werden sich dem Wandel entsprechend neue Zulieferer suchen – und die werden zum Grossteil in China sitzen und nicht mehr in Deutschland. Die Folgen daraus sind jedenfalls in heimischen Gefilden nicht rosig. Was machen solche spezialisierten Firmen wie Mahle?

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  2. „Dass Diesel maßgeblich zu den Schadstoffproblemen von Städten beiträgt“
    Soso. Kann der Autor das belegen? Weiß jemand, was die Umweltzonen und die Feinstaubplakette gebracht haben? Ich verrate es euch: KEINE MESSBARE VERÄNDERUNG bei der Feinstaubbelastung. Es war ein gigantisches Enteignungsprojekt der KFZ Besitzer, und ein Subventionspaket für die Automobilindustrie. In Afrika hat man sich über die vielen billigen Autos in gutem Zustand sehr gefreut.

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