Das Magazin Spiegel berichtet von einem Fall, wo Daimler über den Mietwagenverleiher Sixt ein Tesla Model X P100DL mietete und offensichtlich auf Teststrecken getestet hat, zerlegt, und beschädigt zurückgab.
Nun gibt es mehr Details, die von dem betroffenen Ehepaar, das einen Kleinbetrieb für den Verleih von Wagen betreibt und Sixt als Kunden hat, sowie einem weiteren Betroffenen. Im TFF-Forum berichten die ersten Betroffenen (Benutzername elektromotron), dass Sixt an sie heran getreten wäre um sich einen Wagen für einen „guten Kunden“ zu mieten. Beim Fahrzeug handelt es sich um ein Model X P100DL, von dem es in Deutschland bis dato angeblich nur 10 Stück gibt. Das könnte ein Grund gewesen sein, dass Daimler kurzfristig diesen Wagen nicht kaufen, sondern nur anmieten konnte.
Schon vor einigen Wochen war Daimler mit einem StreetScooter der deutschen Post erwischt worden, als dieser von einem Strohmann bzw. einer Strohfirma angemietet und dann in Sindelfingen auf einer Teststrecke gefunden wurde.
Bericht der ersten Betroffenen
Im Forum schildern die Betroffenen die genaueren Details zum Vorfall, die sie aus den Wagendaten und genauerer Inspektion herausfinden konnten:
Hallo,
wir sind die in diesem Fall Betroffenen. Und Ja, es ist alles richtig, was der Spiegel hier schreibt. Die haben sich das umfangreich bei uns aufzeigen und nachweisen lassen. Bevor „Der Spiegel“ was schreibt, recherchiert der schon so, dass eine große Rechtssicherheit da ist.
Und es ist tatsächlich so, dass das Auto mehrfach zerlegt wurde. Zuerst war es in Sindelfingen auf der Daimler-Teststrecke (kurz „MTC“), danach für mindestens 4 Tage bei der Firma Evomotiv in Weissach. Dort wurde es tatsächlich weitgehend zerlegt. Es wurde der Kofferraumdeckel demontiert (das weisen die Spuren aus, die laut dem rund 80-Seitigen Gutachten eindeutig festgestellt wurden), es wurde vorne die komplette Antriebseinheit freigelegt, der Unterboden demontiert und Messgeräte angebracht. Das gleiche hinten. Und es ist in der Tat so, dass bei dem Zusammenmontieren etliche Schrauben gefehlt haben. Es wurde wieder auf der Teststrecke in Sindelfingen „gequält“ und abermals zerlegt. Auch ein „Bremsroboter“ wurde im Fahrzeug eingeklemmt, das weisen die eingedrückten Spuren am Bremspedal eindeutig nach. Testequipment wurde an etlichen Stellen angebracht (Klebe und sonstige Befestigungsreste), Kabel durch die geschlossene Heckklappe durchgequetscht (die ist verzogen). Die Reifen waren auf die zweite Gummischicht abgefahren, sämtliche Verkleidungsteile um das Fahrzeug, Stoßstangen, Seitenschweller, Radleisten Unterbodenverkleidungen, etc. teilweise abgerissen und beschädigt. Das Fahrzeug war mehrmals aufgesessen. Danach wurde es nach Barcelona verbracht und weiter bei 40° auf die Teststrecke gebracht. Das an mindestens 10 nachweisbaren Tagen. Danach wurde es wieder im Hänger zurück nach Deutschland transportiert.
Man mag es glauben oder nicht, es ist eine Schande. Zumal auch Sixt wie Daimler kaum auf unsere Angebote bzw. „Hilferufe“ reagiert hat. Denen ist das echt egal. Wir sind ein kleines Unternehmen privater Natur und absolute Tesla- und E-Auto-Verfechter. Das hier allerdings schadet uns ungemein und hinterlässt deutliche finanzielle Schäden. Dafür will weder Sixt noch Daimler einstehen.
In der Tat hat Sixt unter Vorspiegelung falscher Tatsachen das Auto bei uns angemietet. Es hiess: „ein guter Kunde von uns braucht das Auto für Show, Design, etc. … es werden ca. 1500km gefahren“ und „es wird nicht zerlegt oder verbastelt und auch nicht auf Teststrecken gefahren“. Es wurde knapp 4000km gefahren!
Ob nun Sixt von Daimler auch angelogen worden ist, weiß ich nicht. Tatsache ist jedoch, dass Sixt das Auto an Daimler weitergegeben hat. Es hat auch ein Fahrdienst von Sixt (Fahrdienst Hesse) bei uns abgeholt und ramponiert wieder zurückgegeben. Auch dieser Fahrdienst hat nach Rückgabe zugegeben, dass es direkt vom Hof bei Daimler abgeholt worden ist.
Ob es gefährlich ist, glaube ich nicht. Wir haben das Fahrzeug natürlich begutachten lassen, sind selbst damit gefahren, Tesla hat es angeschaut und analysiert, etc. Wir haben es auch soweit (zwar nicht nicht vollständig) herrichten lassen, dass es ordentlich funktioniert und gefahren werden kann.
Eines überrascht dennoch: Das Model X P100DL hält enorm viel aus! Und der Tesla-Service hat uns ganz toll geholfen, sowohl am Telefon wie auch faktisch. Da können sich alles anderen eine Scheibe abschneiden!
Bei uns steht gerade alles Kopf und bitte seid so nett, und stellt uns direkt hier Fragen. Wir bzw. ich werde alle diese beantworten und belegen.
Ich bin hier jetzt sicherlich nicht auf alles eingegangen, aber ich versuche das gerne.
Und in einem weiteren Post von den Betroffenen:
[…] wieder fällt mir was ein: Als wir die erste Meldung aus Barcelona bekommen haben, haben wir umgehend bei Sixt in Stuttgart angerufen (darf man den Namen des oder der Ansprechpartner bei Sixt hier nennen??) und nachgefragt, was das soll. Sixt klang etwas überrascht und wollte dem nachgehen und hat dann auch nach ca. 15min zurückgerufen. „Es würden nur Konstant-Fahrten auf der Teststrecke gemacht, das ginge nicht auf öffentlichen Straßen. Und in Barcelona (oder bei Barcelona) wäre das in aller Ruhe auf der Teststrecke zu machen. Ich solle mir keine Sorgen machen“. Da wurde uns abermals zugesichert, dass alles im Rahmen sei und keine „Tests“ gemacht werden.
Sicher, man darf uns spätestens hier dann schimpfen, extrem gutgläubig gewesen, wenn nicht sogar naiv, gewesen zu sein. Aber bis dato wussten wir ja gar nicht, dass Sixt das Auto an Daimler weitergegeben hat. Es hiess nur „für einen guten Kunden“. Und wir hatten gar keine Möglichkeit, einfach mal so nach Barcelona zu jetten und das Auto dort raus zu holen.
Im übrigen: Von Daimler kam bis heute nur eine völlig lapidare Antwort der Rechtsanwälte, „man versichert uns, dass der Vorfall geprüft werde. blablabla“. Seitdem nichts mehr. Auch der Pressesprecher Jörg Howe wußte unsere Not, ein Schreiben an den Vorstand, sowohl bei Daimler wie auch bei Sixt (Stuttgart und in Pullach), aber es kam nichts weiter von Daimler oder Sixt. Auch unsere Anrufe, Emails und Schreiben wurden nicht aufgegriffen. Das einzige Schreiben war das oben genannte von den Rechtsanwälten.
Die „offizielle“ Antwort (an „Der SPIEGEL“), das sei branchenüblich, ist das gleiche Schreiben wie im Falle des Streetscooters. Auch das zeigt die Unverblümtheit von Daimler/Sixt auf. Mit dem Unterschied hier, dass wir kein Industrieunternehmen ist, dem man schadet.
Ich glaube, dass es, wie schon erwähnt, Daimler und Sixt völlig egal ist, wen man schädigt. Ob das die Post ist oder Kleinunternehmer wie wir es sind.
Der Schaden soll an die 18.000 Euro betragen haben.
Zweiter Geschädigter meldet sich
Im Zuge der Diskussion im TFF-Forum hat sich ein zweiter Betroffener (Benutzername Swipper) gemeldet, dem es ähnlich ergangen war:
Hallo,
Ihre Geschichte kommt mir irgendwie bekannt vor.
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Ich möchte hier definitiv vermeiden als Trittbrettfahrer bezeichnet zu werden… Sondern schildere nur meine eigenen Erlebnisse ################################################################################
Bitte enschuldigen Sie das ich sie hier einfach so anschreibe, aber wir haben auch ein MX100D (ohne das P!) und dieses wurde ebenfalls von der Fa. Sixt in Pullach angemietet. Dabei war des damals so dringend das das Fahrzeug direkt von Fa. Sixt in Feldkirchen übernommmen wurde.
Auf Nachfrage wohin Sie den das Fahrzeug vermietet haben, erhielt ich damals keine wirklich genaue Auskunft.
Da bei allen unseren Fahrzeugen TESLALOG aktiv ist, wird jede Position sowie Fahrverhalten mitgeloggt.
Nach Übernahme des Fahrzeugs durch Fa. Sixt wurde der Mobile Zugriff in den Fahrzeugeinstellung noch in Feldkirchen deaktiviert, sodass wir leider während des Vermietzeitraumes keine Informationen erhalten haben.
Ein Anruf bei Sixt, das dies gegen unsere Vermietbedingungen verstösst wurde mit der Antwort quittiert, das man den Kunden versuche zu erreichen um diese Funktion wieder einzuschalten. … der mobile Zugriff blieb jedoch für den gesamten Vermietzeitraum (3 Wochen) deaktiviert.
…
Als wir das Fahrzeug gegen Ende der 3 wöchigen Vermietung wieder übernommen haben, wurde uns ein Schaden an der Stosstange hinten links angezeigt.
…
Als wir das Navi aktivierten stellten wir fest das das Fahrzeug von Sindelfingen, nach Bremen und dann nach Barcelona verbracht wurde.
Ziel eine Firma Automotive Firma im Süden von Barcelona mit eigenem Testgelände, (Name der Firma absichtlich nicht genannt, Nachweis aber durch Navi-Fotos leistbar).
Das Fahrzeug kam ebenfalls beschädigt zurück, da ich aber leider das Fahrzeug nicht selbst übernommen hatte, kann ich leider nicht sagen ob die Schäden (vor allem im Innenraum) schon bestanden haben oder nicht… Der Schaden an der Stossstange wurde vom Mieter übernommen, auf den Schäden im Innenraum sind wir sitzengeblieben.
Aufgrund Ihres Postes werde ich mich am kommenden Montag mit dem für uns zuständigen SeC kurzschliessen um zu prüfen ob auch unser Fahrzeug zerlegt wurde.
Viele Grüsse
Swipper
EDIT: 3.12.2017 13:55
Absolute Grundvorraussetzung der Anmietung war eingebauter und aktivierter AP2 !
Reine Vermutung meinerseits …. Im Mai.. August wurden einige MX100D mit AP1 ausgeliefert, das waren bei der Bestellung MXP90D (da vielen wir auch rein) die dann auf MXP100D aufgerüstet wurden. Leider nicht mit AP2 ;(.
In unserem Furhpark befindet sich auch noch ein MS90D der ähnlich kurzfristig angemietet wurde, angeblich um damit die ‚Wave‘ mitzufahren. In Wirklichkeit befand er sich bei Ingoldstadt in einer Werkhalle und wurde ca 100km gefahr
Durch den SPON Artikel werden wir auch dieses Fahrzeug im SeC prüfen lassen.
Uns geht es dabei weniger um den Hintergrund der ‚Auskundschaftung‘ auch wenn es anscheinend gängige Praxis ist, ist es dennoch eine Schande für das etablierte Fahrzeughersteller und deren Zulieferer eine; ich nenne es nach meinem letzen Besuch in Fremont mal liebevoll ‚hochmotivierte Prototypenbau-Fabrik‘ ausspi…….
Vielen Dank
Dazu postete dieser Betroffene auch Bilder vom Wagenlog:
Während es üblich ist, dass sich Hersteller Fahrzeuge von Konkurrenten beschaffen um sie mit den eigenen zu vergleichen, so scheint es doch überraschend, dass die Wagen angemietet und nicht gekauft, und dabei beschädigt werden.
Wie es weiter geht, werden wir vermutlich vor Gericht verfolgen können.
Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.
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