Tesla: Ein Niedergang, den sich viele wünschen

Sind die besten Tage für Tesla vorbei? So schlagzeilt die NZZ. E-Autobauer Tesla in der Krise meint BR24. Auch die FAZ meint nüchtern Tesla überzeugt nicht. Etwas vorsichtiger in der Reihe der pessimistischen Stimmen ist die Wirtschaftswoche, die vor Häme warnt: Elon Musk droht der Abstieg – und er hat trotzdem recht.

Was ist denn da los? Steht Tesla vor der Pleite? Entlassen sie Leute? Verkaufen sie keine Autos mehr? Haben sie ein paar Katzenkinder vom Werksgelände Berlin-Grünheide geschmissen? Oder schummelte Musk bei seinen Marihuana-Abgaswerten?

Nein, viel schlimmer: sie haben Gewinn gemacht, Rekordverkäufe hingelegt, den Spitzenplatz beim bestverkauften Auto weltweit belegt – und das sogar vor allen Verbrennern – aber vor allem und am schwerwiegendsten haben sie Elon Musk als Chef. Gründe genug, warum die Medien in den Heimatländern der von den durch Tesla hervorgerufenen Umwälzungen betroffenen Unternehmen nun den endgültigen Niedergang des lästigen Neuankömmling heraufbeschwören.

Es scheint eine Neuauflage der im deutschen Sprachraum allseits beliebten „Tesla muss erst mal zeigen, dass…“ zu sein. Kaum hat Tesla bewiesen, dass sie es können, kommt schon die nächste Variante. Es ist ein verzweifeltes Suchen nach Gründen, warum der unbeliebte Störenfried der eigenen Automobilruhe bald wieder weggehen wird. Doch je mehr Jahre ins Land ziehen, desto mehr ähnelt es dem Kind allein im Wald, das laut „Lalalala“ singt, um sich nicht zu fürchten. Paart man das Ganze noch mit deutschem Hurra-Patriotismus und übertriebenden Hinweis auf die Überlegenheit der eigenen Hersteller, dann wird es rasch hysterisch. Selbst vermeintliche und kleinste Mängel werden zum elefantösen Niedergangsgrund für die bösen Amis gesehen.

Jährliche Verluste/Gewinne von Tesla von 2009 bis 2023

Ich weiß, das klingt sehr polemisch, was ich hier gesagt habe, aber wie soll man da ernst bleiben, wenn wir mal die Zahlen der Hysterie gegenüberstellt? Sehen wir uns zuerst mal den Gewinn für 2023 und der vergangenen Jahre an. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete Tesla einen Reingewinn von fast 10 Milliarden Dollar mit 1,845 Millionen verkauften Autos.

Ausgelieferte Fahrzeuge von 2013 bis 2023

Das Wachstum betrug bei der Produktion 35 Prozent und bei den Auslieferungen 38 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Diese Rate liegt in den vergangenen 10 Jahren am unteren Ende des von Tesla gewohnten Wachstums. Das deutet auf verstärkten Konkurrenzdruck hin, dem Tesla ausgesetzt ist, vor allem durch chinesische Unternehmen.

Jährliche Wachstumsraten bei der Produktion

Zugleich feierte Tesla einen Meilenstein: das Model Y war weltweit das meistverkaufte Auto, und zwar von allen Antriebsarten. Dabei verwies das Model Y den Toyota RAV4 und den Toyota Corolla auf die Ränge. Und jetzt komme mir keiner mit dem Argument „Aber bitte, Tesla kann das nur, weil sie so eine eingeschränkte Zahl an Modellen haben. Volkswagen hat viel mehr und die teilen sich das auf. Zählt man die zusammen, dann wäre/hätte/täte/könnte…“ Bitte, das ist nur Mimimi.

Doch all diese Erfolgszahlen lassen darüber nicht hinwegtäuschen, dass Teslas beeindruckende Fahrt an Geschwindigkeit verloren hat. Der Gewinn beinhaltete einmalige Steuergewinne von 5,9 Milliarden Dollar. Zwar sanken die Kosten pro Fahrzeug, doch wurden diese mehr als wettgemacht durch Preissenkungen, die durch verstärkte Konkurrenz in China und durch den Wegfall von Steuerrabatten beim Kauf eines Elektroautos – u.a. in Deutschland – mehr als wettgemacht. Die Gewinnmarge sank damit, ist aber immer noch positiv. Was wiederum die Kostenstruktur zeigt, mit der Tesla arbeiten kann, denn Ford verliert mit seinem Elektro-Pickup Ford Lighting 30.000 Dollar pro Fahrzeug. Und kaum ein Hersteller verdient sonst Geld mit Elektroautos. Ford und Volkswagen beispielsweise sahen sich sogar gezwungen, ihre Elektroauto-Produktionen zu reduzieren, da sie mit den aktuellen Preisen massive Verluste einfahren würden und sich weitere Preisnachlässe nicht leisten können. Die Investorin Cathie Wood hat Ford dafür gescholten, weil sie damit keine Skalierungseffekte und damit Kostenreduktionen auf eine Einheit erreichen können, was Ford (und VW) wiederum daran hindert, Marktanteile bei den Elektroautos zu erobern.

Wie auch immer, für Tesla ergab das an den Börsen eine Watsche, der Aktienkurs sank. Auf längere Sicht betrachtet ist der Einbruch aber kaum auffällig, wie dieses Aktienchart über einen Fünfjahreszeitraum deutlich macht.

Tesla Aktienkurs am 30.1.2024 mit Fünfjahresbetrachtung

Stellen wir den Fünfjahresverlauf des Aktienkurs von Tesla den von VW, Mercedes Benz und BMW gegenüber, dann verwöhnt der Tesla-Börsenkurs die Investoren geradezu.

Auch bei den chinesischen Herstellern waren seit Jahresanfang Kursverluste zu vermelden. BYD mit -10,7%, Nio mit -30,3%, Li Auto mit -22,8%, Geely mit -3% und XPeng mit -38,5%. Nur Teslas Kurs zu betrachten und daraus den Niedergang abzuleiten ist einfach nur dumm, wenn der gesamte Aktienmarkt sich nach unten bewegt.

Man vergesse auch nicht, dass der Einbruch des Aktienkurses bei Tesla einen Wert vernichtete, der dem Gesamtwert von BMW an der Börse gleich war. Mittlerweile steigt die Aktie wieder. Tesla ist immer noch mehr als doppelt so viel wert, wie BMW, Mercedes-Benz, Porsche und VW zusammen.

Börsenbewertung in US Dollar der zehn wertvollsten Automobilunternehmen am 30.1.2024

Andere Neuigkeiten aus dem Jahresabschluss von Tesla zeigten, dass die Auslieferung des neuesten Models, dem Cybertruck, begonnen haben und mittlerweile über 1.000 Stück ausgeliefert worden sind. Für 2025 ist der Produktionsstart eines massentauglichen und leistbaren NextGen Model angekündigt worden.

Besonders erfreulich war das Rekordwachstum in der Energiesparte. Energiespeicher mehr als verdoppelten sich mit 125 Prozent, der Gewinn stieg auf fast das Vierfache. Ein Wermutstropfen: die Solarinstallationen schrumpften.

In den USA adaptierten alle(!) OEMs den NACS-Ladestandard (den Tesla verwendet), damit sie alle die Tesla Supercharger mitverwenden können, das ein wirklicher Schwachpunkt für alle anderen Elektroautohersteller ist. Wir können ein Lied davon singen, denn mit dem Neuzugang – ein Lucid Air – ist bei weiten Fahrten die Suche nach einem funktionieren Fastcharger zu einem Glücksspiel geworden. Etwas, was auf das ich bei Tesla kaum einen Gedanken verschwende. Teslas Supercharger-Netzwerk für sich alleine genommen wird mit bis zu $100 Mrd von Morgan Stanley Analysten bewertet.

Nicht nur hier folgen die Mitbewerber Tesla, auch bei innovativen Fertigungsmethoden. Die Gigapresse wollen einige andere auch einführen, auch wenn die eigenen Experten jahrelang steif und fest behauptet haben, das würde nicht funktionieren. Dann hat’s Tesla einfach gemacht, und nun wollen alle. Auch die Innovationsgeschwindigkeit, die Tesla vorlegt, wollen andere kopieren.

Die Rückrufaktionen, die beim Fahrerassistenzsystem einige Funktionen zurücknehmen musste haben die Tesla-Besitzer nicht mal bemerkt. Sie kam nämlich Over-the-Air (OTA). Eine Funktion, die für andere immer noch ein Buch mit sieben Siegeln ist, auch wenn sie langsam aufholen.

Was die „Rückrufe“generell betrifft: Porsche, Audi, Mercedes, Hyundai, Kia, Jaguar, Ford, Toyota, Lexus oder Stellantis hatten alle Rückrufe im Jahr 2023. Bei den meisten Marken bedeutet das, dass das Auto zum Händler zurückgebracht werden muss, und nicht einfach ein OTA wie bei Tesla.

Und sonst? Da sehe ich einige spannende Entwicklungen, auch wenn nicht sicher ist, ob und wann diese wirklich Erlösrelevant werden. Der Tesla Bot Optimus beeindruckt, aber wann er in den Fabriken wirklich einsetzbar sein und damit Kosten sparen wird, steht in den Sternen. Dort, in der Cloud, befindet sich auch Teslas Maschinenlern- und KI-Dojo, mit dem die FSD Beta und andere Funktionen aus den Daten der mehr als 5 Millionen Kunden-Teslas trainiert werden. Diese Entwicklungen passieren inkrementell, wie ich seit über einem Jahr als FSD Beta-Benutzer feststellen kann. Und gerade diese Projekte könnten langfristig den Weg zum Mehr-Billionen-Dollar-Unternehmen pflastern.

KREATIVE INTELLIGENZ

Über ChatGPT hat man viel gelesen in der letzten Zeit: die künstliche Intelligenz, die ganze Bücher schreiben kann und der bereits jetzt unterstellt wird, Legionen von Autoren, Textern und Übersetzern arbeitslos zu machen. Und ChatGPT ist nicht allein, die KI-Familie wächst beständig. So malt DALL-E Bilder, Face Generator simuliert Gesichter und MusicLM komponiert Musik. Was erleben wir da? Das Ende der Zivilisation oder den Beginn von etwas völlig Neuem? Zukunftsforscher Dr. Mario Herger ordnet die neuesten Entwicklungen aus dem Silicon Valley ein und zeigt auf, welche teils bahnbrechenden Veränderungen unmittelbar vor der Tür stehen.

Erhältlich im Buchhandel, beim Verlag und bei Amazon.

Sehe ich ähnliches bei deutschen Herstellern? Es sticht nichts so wirklich ins Auge. Weder beim Elektroauto, noch beim autonomen Fahren, wie ich hier und hier ausführlich dargestellt habe.

Um das abzuschließen: natürlich stört mich das zunehmend erratische Verhalten Elon Musks. Er wird immer mehr zur Last denn zum Asset für seine Firmen. Und der Gewinneinbruch trotz Rekordverkäufen sollte genauer beachtet werden, auch wenn Tesla viel Geld in Innovationsprojekte und neue Fabriken steckt.

Hier noch ein Schmankerl für die Stammtischparolenschwinger, die gerne urbane Legenden zu Elektroautos auftischen. Erinnerst du dich daran, dass bei Hochwasser Teslas doch sicherlich die Insassen elektrisieren? Nun ja, während bei Verbrennerfahrzeugen der Motor und Auspuff absaufen, fahren Teslas einfach durch, auch wenn das Wasser bis zur Windschutzscheibe steht. Hier ein aktuelles Videos aus San Diego, wo einige Straßen nach heftigen Regenfällen überflutet waren. Man beachte den abgesoffenen VW Käfer.

Wenn also Niedergang (oder Absaufen) bei Tesla so aussieht, dann kenne ich einige deutsche Hersteller, die sich den wohl sehr für sich selbst herbeiwünschen würden.

Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.

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