Wo bleibt eigentlich das deutsche autonome Auto? – Teil 2: Gründe

Im ersten Teil beschäftigten wir uns mit den Mythen um die Frage, warum es keine autonomen Autos aus Deutschland gibt. Und diese Mythen handeln von falschem Verständnis und wenig Wissen zur Technologie, vom Unwissen zu den Unternehmen und Aktivitäten in anderen Weltregionen, gepaart mit dem Gefühl der Überlegenheit der eigenen Unternehmen und Patriotismus, in dem auch eine gewisse Verachtung für die Mitbewerber mitschwingt.

Alles jedenfalls keine gesunde Mischung, die einerseits Demut hervorruft, andererseits uns zu mehr Dringlichkeit zwingt. Also wir sind ganz vorne mit dabei, und das was die anderen machen braucht uns nicht zu besorgen. So der Tenor, möchte man meinen.

Dabei tauchen aber noch andere Fragen auf, nämlich wenn schon große deutsche Hersteller bei der Entwicklung von autonomen Autos bemerkenswert zurückhaltend sind (und wir gehen noch auf die Gründe ein), so auch warum es dann auch keine deutschen Startups gibt? Denn diese Lücke sollte diese doch als Gelegenheit ergreifen und schließen können?

Frage: Wo sind die deutschen Startups?

Die kalifornische Verkehrsbehörde Department of Motor Vehicles (CA DMV) führt eine öffentliche Liste aller Organisationen, die eine Lizenz zum Testen autonomer Autos auf öffentlichen Straßen in Kalifornien haben. Aktuell sind es knapp 40, es waren aber auch schon mehr als 70 Unternehmen, die eine solche Lizenz erhalten hatten. Neben den großen Automobilunternehmen sind da auch bekannte Namen wie Apple oder Google darunter. Aber eben auch mehrere Dutzend Startups, die erst vor einigen Jahren gegründet worden waren. Während sich darunter – wenig überraschend – viele amerikanische Startups tummeln, sind auch einige chinesische und sogar ungarische darunter, allerdings keine deutschen.

Dafür gibt es aber eine ganze Reihe an deutschen Startups, die in Deutschland selbst testen, nicht wahr? Nicht so schnell, denn welche können wir aufzählen? Nun? Ich warte? Nein, Moia und andere Spinoffs von großen Herstellern wie BMW, Mercedes oder Audi zählen nicht als Startup. Und wir dürfen zusätzlich nicht übersehen, dass dabei oft die kritische Technologie zum autonomen Fahren von amerikanischen oder israelischen Firmen herangezogen wird, wie beispielsweise Mobileye, oder eingekaufte, wie Torc Robotics für autonome LKWs von Daimler Truck. Das ist an sich nichts Schlechtes, sie zeigt aber, dass diese Technologie nicht aus unseren Breiten kommt.

Unter Startups wollen wir nur solche zählen, die beispielsweise als Ausgründung von einer Universität oder ehemaligen Mitarbeiter großer deutscher Unternehmen stammen, und die das Risiko auf sich genommen und für ein eigenes Unternehmen Risikokapital aufgestellt haben und nun autonome Autos oder Selbstfahrtechnologie entwickeln.

Mir fallen da nur Kopernikus Automotive ein, die mit hohen Ambitionen begonnen, doch sukzessive ihre Erwartungen runterschrauben mussten und sich mittlerweile auf automatisierte Parklösungen konzentrieren. Grund für diesen Pivot: fehlende Risikogelder in Deutschland.

Vay.io wiederum entwickelt nicht mehr als „ferngesteuerte Autos“, und hat nicht wirklich etwas mit Selbstfahrtechnologie zu tun, da immer noch ein Fahrer Hand anlegen muss, nur eben nicht im Auto selbst, sondern hinter einem Schreibtisch aus der Ferne.

Warum ist das so? Nun, hier sind ein paar Gründe.

Grund 1: Fehlende Rahmenbedingungen

Dass das Silicon Valley kein Ort, sondern ein Mindset sei, haben schon viele gehört. Diejenigen, die die Gelegenheit hatten der San Francisco Bay Area einen Besuch abzustatten und Startups, Akzeleratoren, Risikokapitalgeber, die hiesigen Universitäten Stanford und Berkeley, sowie die großen Digitalunternehmen zu besuchen, wissen wovon ich spreche. Die Art auf neue Ideen zu reagieren, der Optimismus, die Geschwindigkeit, die Wir-machen-das-einfach-und-lösen-Probleme-auf-dem-Weg-Mentalität, die Hilfsbereitschaft untereinander, die Mengen an Risikokapital, die Bereitschaft neue Dinge auszuprobieren, die Diversität der Bevölkerung und eine hohe Toleranz für das Scheitern sind einige der Elemente, die diese Gegend so innovativ machen.

Diese verrückte Idee zu haben, ein Unternehmen zu gründen, das Elektroautos mit Laptopbatterien bauen willen, und den Gründern dann auch noch Milliarden zukommen zu lassen, ist ein solches Beispiel, wo sich im Silicon Valley alle Teile zusammenfügen. Vergessen wir nicht, Tesla hat von 2009 bis 2019 insgesamt 6,66 Milliarden Dollar an Verlust angehäuft, bis dann 2020 der Umschwung kam und von 2020 bis 2024 fast das Fünffache an Gewinn wieder hereingespült worden war. Und nein, der Anteil an Karbonzertifikaten liegt nur bei einem Bruchteil des Gewinnes.

Jährliche Verluste/Gewinne von Tesla von 2009 bis 2023

Ein deutsches Startup kann in Deutschland oder Europa weder diese Geldmengen aufstellen, noch denken die Gründer groß genug oder bringen ein Misstrauen gegenüber Risikokapitalgeber mit, das sie bei solch kapitalintensiven Unternehmungen scheitern lässt. Sono Motors sei hier als Paradebeispiel angeführt und den Fall habe ich hier schon mal ausführlicher analysiert.

Innerhalb von großen Unternehmen wiederum wird (wie auch bei europäischen Startups) einer baldige Profitabilität großes Augenmerk geschenkt. Passt es nicht ins vermeintliche Kerngeschäft UND ist nicht raschest damit Geld zu machen, wird das Projekt geknickt. Dabei sollte einem klar sein, dass traditionelle Kennzahlen bei F&E-Projekten, die mit neuen Technologien hantieren, andere Kennzahlen zur Bewertung benötigen. Ansätze wie Innovation Options gibt es, doch sind sie den Entscheidungsträgern nur selten bekannt. Bei großen Unternehmen kommt hinzu, dass oft ein Managementwechsel oder eine einzelne Person über die Fortführung eines solchen Projektes entscheidet. Handelt es sich dabei um eines, das sowohl viel Aufwand und Zeit benötigt und dessen Ausgang ungewiss ist, dann ist es besonders von Kürzungen gefährdet.

Grund 2: Geschäftsmodelle der OEMs

Das Geschäftsmodell in der Automobilbranche hat sich über einhundert Jahre bewährt: Man verkauft Autos an Individualpersonen, die diese Fahrzeuge fahren. Darum herum hat sich auch eine ganze Industrie entwickelt, die von Autohäusern, Werkstätten bis hin zur Autofinanzierung oder Leasingmodellen reicht. Auch an Firmen hat man Firmenwagen oder Flotten verkauft, selbst musste man diese nicht betreiben. Die Errichtung und Bereitstellung von Straßen und Tankstellen übernahmen andere, und selbst griff man nur ein, wenn die eigenen Profite davon bedroht waren, wie beispielsweise bei strengeren Abgasemissionen oder Fahrverboten.

Autonome Autos wie sie Neueinsteiger wie Waymo entwickeln, setzen aber stark auf den Betrieb von Robotaxi- oder Robo-LKW-Flotten, die in einem Sharingsystem für Endbenutzer zugänglich gemacht werden. Nicht mehr Individuen, sondern verstärkt Einzelunternehmen kaufen und betreiben Autos. Und damit ändern sich die Kunden, die Margen, aber auch welche Services von wem benötigt werden.

Automobilclubs leben heute davon, Mitgliedern Dienstleistungen wie Pannenservice anzubieten. Die Mitglieder sind in der Regel Führerschein- und Autobesitzer. Doch wenn niemand mehr einen Führerschein mehr hat und nicht mehr Mitglied beim Automobilclub wird, was bedeute das für diese?

Fast die Hälfte aller Versicherungsprämien stammen von KFZs. Autonome Autos, die, wie erhofft wird, 90 Prozent weniger Kollisionen haben, benötigen dann fast keine Versicherungen mehr. Und da Privatpersonen kaum mehr Autos haben werden, verschiebt sich der Kundenstamm von Individuen zu Firmen.

Man sieht also, nicht nur die Technologie ändert sich, auch andere Bereiche erleben Veränderungen in Disruptionszeiten. Damit gehen Verhaltensänderungen ein, und Technologieinnovation geht einher mit Netzwerk, Marketing, Prozess, oder Finanzinnovation und ermöglichte dadurch nicht nur neue Modelle, die darauf aufbauen können (Stichwort Robomart), sondern verstärken damit den Druck auf die traditionellen Modelle. Die Anpassung an die neuen Gegebenheiten fällt besonders Unternehmen schwer, die in der Vergangenheit mit dem nun obsoleten Modellen sehr erfolgreich gewesen sind. Deshalb wollen sie sich nicht nur nicht anpassen, sie wehren sich auch massiv dagegen. Wir sehen das bereits mit dem Umstieg von Verbrennungskraftmotoren auf Elektromobilität, die bei traditionellen Herstellern, deren ganze Expertise und Erfolgshistorie auf Verbrennern beruht, besonderen internen Widerstand hervorruft.

Grund 3: Die Unmöglichkeit einer langfristigen Strategie

In deutschen Automobilunternehmen wie auch in den meisten internationalen OEMs und Tier-1-Zulieferern sind heute nicht mehr die Gründer oder die Gründerfamilien am Ruder, sondern Manager. Deren Aufgabe ist es für Stabilität zu sorgen und auf den Shareholder Value. Bloß keine Wellen machen, nicht am erfolgreichen Geschäftsmodell rütteln. Das ging auch über hundert Jahre lang relativ gut, denn es hat sich nicht wirklich viel geändert.

Doch in Zeiten von Umbrüchen ist es nicht mehr möglich, einfach alte Strategien linear fortzusetzen. Eine solche Zeit ist auch geprägt vom Auftauchen von vielen neuen Unternehmen. In der Elektromobilität ist das deutlich zu spüren, sind doch dutzende neue OEMs entstanden, die um einen Anteil am neu zu verteilenden Kuchen wetteifern. Tesla, BYD, Lucid Motors, Nio, Vinfast, Sony, Rivian, Xpeng, Geely und viele andere neue Marken und Hersteller drängen mit Elektroautos auf den Markt, der eine Disruption durchläuft.

Mit dem autonomen Fahren folgt gleich eine weitere Disruption, die wieder eine Reihe von neuen Playern in dieser Industrie bringt.

Die Herausforderung für traditionelle Hersteller ist nicht, dass es ihnen an Wissen oder Können fehlt. Immerhin finden sich in vielen der neuen Unternehmen ehemalige Mitarbeiter aus der Industrie. Es ist vielmehr die Tatsache, dass Manager anders bewertet werden, als Unternehmensgründer. Vorstände müssen in ihrer Amtszeit, die meistens vier Jahre beträgt, den Shareholder Value erhöhen. Daran sind auch oft ihre Boni gekoppelt. Und tun sie das nicht, dann sind sie ihren Job gleich los.

Doch in Momenten der Disruption sind nicht nur oft hohe Investitionen in neue Technologien und Fertigungsverfahren notwendig, die kurzfristig den Unternehmenswert drücken, sie sind auch von hohen Unsicherheiten behaftet. Vor wenigen Jahren noch war es für viele nicht klar, ob Elektromobilität sich wirklich durchsetzen wird. Die Investitionen in Milliardenhöhe erschienen dabei als riskant. Auch sind solche Technologiedisruptionen von der Notwendigkeit nach einer Umstellung auf Personal mit neuen Fähigkeiten begleitet, während die Expertise des Stammpersonal plötzlich weniger gefragt beziehungsweise überflüssig wird. Und Arbeitskämpfe in Ländern mit starken Gewerkschaften scheuen Vorstände wie die Pest.

Bevor also ein Vorstand sich diesen Herausforderungen stellt versucht er lieber den Status Quo möglichst lange aufrechtzuerhalten. Denn wenn dieser heute eine solch tiefgreifende Strategieänderung anpackt, dann kommt es sofort zu Arbeitskämpfen, hohe Investitionen, die den kurzfristigen Unternehmensgewinn reduzieren, womöglich den aktuellen Shareholder Value verringern und damit auch den Wert der eigenen Boni, und die Gefahr, vor Vertragsende abgesetzt zu werden steigt. Die Früchte aus dieser Strategieänderung erntet dann, wenn überhaupt, der Nachfolger vom Nachfolger vom Nachfolger, aber man selbst, der diese Änderungen aufgesetzt hat, hat wenig davon.

Als 1977 Elvis Presley starb, wuchs die Zahl an Elvis-Imitatoren in kurzer Zeit so sprunghaft an, dass bei einer Fortsetzung des Trends im Jahr 2000 ein Drittel aller Amerikaner ihren Unterhalt als Elvis-Imitatoren verdienen würden.
Wieso kam es aber nicht dazu? Das lässt sich mit den Methoden des Foresight Mindsets erklären.
Zukunft lässt sich vorhersagen. Einigermaßen, mit einer gewissen Unschärfe jedenfalls. Diese Disziplin ist erlernbar und das ist zugleich die gute Nachricht. Man muss nicht erst auf Futuristen und Zukunftsforscher warten, die einem die nächsten Trends erklären. Organisationen können sich selbst darauf vorbereiten und ein strategisches Set an Werkzeugen in ihren Kanon aufnehmen. Die Werkzeugkiste in diesem Buch hilft dabei nicht nur zu reagieren, sondern ermöglicht, von Anfang an die Gestaltung der Zukunft mitzubestimmen.

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Unternehmensgründer hingegen denken anders und können anders agieren. Sie haben „Skin-in-the-game„, haben also das Unternehmen nicht nur gegründet, sondern ihr eigenes Geld steckt darin. Sie tendieren dazu, langfristiger zu denken, denn auch wenn sie nicht mehr operativ tätig sein werden, halten sie immer noch große Unternehmensanteile. Kurzfristige Kurssteigerungen sind für sie nicht wichtig, sondern die langfristige Entwicklung des Untenehmens.

Genau das aber passiert aktuell gleich zweimal: Elektromobilität und autonomes Fahren. Zwei disruptive Hämmer, die nur kurz zeitversetzt aufeinander folgen. Wenn wir uns nur ansehen, wie zögerlich und widersprüchlich deutsche Hersteller (aber auch andere, man sehe sich nur Toyotas Vorstand an) darauf reagieren, hat wenig Hoffnung, dass es beim autonomen Fahren anders sein wird.

Gerade beim autonomen Fahren ist die Disruption noch einmal wesentlich anders, als sie es bei Elektroautos war. War hier vereinfacht gesagt „nur“ der Antriebsstrang anders, so erschüttert das autonome Fahren die Grundprinzipien der Automobilindustrie. Nicht der Mensch ist mehr der Fahrer, sondern der Computer. Aber wem verkaufte man ein Auto? Menschen. Und wer heuerte bei Automobilunternehmen an? Menschen, die gerne Auto fahren.

Und was wird beim autonomen Fahren in der Entwicklung und Produktion wichtig? Nicht mehr das beste Metallbiegen, sondern das beste Computerprogrammieren. Die digitale Welt hált Einzug, und da hatten die Unternehmen bislang wenig Erfahrung gehabt oder den Schwerpunkt darauf gelegt.

Aus all diesen Gründen ist es eben so schwerwiegend, dass aus Deutschland keine Startups kommen, keine Unternehmen gegründet wurden, die autonomes Fahren entwickeln. Damit folgt aus heimischen Gefilden niemand den möglicherweise dem Untergang geweihten deutschen OEMs nach.

Grund 4: Willfährige Handlanger

Viele dieser Mythen werden durch deutsche Experten und Medien verbreitet, die einerseits wiederum dubiose Experten wie beispielsweise den „Motorenpapst“ Franz Indra heranziehen, die nun erleben müssen, dass ihr Fachgebiet ins Museum wandert und das nicht verkraften und weder Elektromobilität noch autonomes Fahren verstehen, andererseits sich wie die Geier auf die negativen Meldungen bei neuen Technologien wie beim autonomen Fahren stürzen, wie den bereits erwähnten Fall von dem beschleunigenden Tesla in China. Ein Beispiel dafür war ein Beitrag von Stephan Scheuer vom Handelsblatt, der im Sommer 2023 ein Dutzend Fahrten mit Waymo in San Francisco absolviert hatte, und den ersten 80 Prozent seines Artikels auf vermeintliche Fehler oder Probleme des Robotaxis widmete. Erst zum Schluss berichtet er, dass eigentlich ohnehin alles problemlos und sicher lief. Auch die aktuelle Berichterstattung zu Teslas Gewinnrückgang im Jahr 2023 führte bereits zu alarmistischen Medienberichten, die nun das Ende des Unternehmens herbei reden. Oder die übertriebene Berichterstattung zu angeblichen Bränden von Elektroautos. Damit signalisiert solche Handlanger an ihre Leser*Innen, dass diese Technologie weit davon entfernt sei, Marktreife zu erlangen und damit keine Dringlichkeit und Bedrohung für heimische Unternehmen bestünde. Ein Bärendienst an den heimischen Unternehmen, denn wenn es doch anders kommt, und sie im Vertrauen auf Zukunftsvorhersagen dieser Handlanger gesetzt haben, dann sind sie wieder einmal zu spät mit der eigenen Technologie und Strategie und wieder eine Industrie verabschiedet sich aus Deutschland.

Dann gibt es jene Spezialisten, die deutschen Unternehmen einreden, wie toll sie seien und wie ganz weit vorne die Industrie an den neuen Technologien mitmischt. Oder dass Tesla & Co. hier vor allem Technologie aus Deutschland benutzen würde, was also würde hier schon von Tesla oder den Chinesen selbst stammen? Das sind Berater, die sich damit neue Aufträge erhoffen, wenn sie den Auftraggebern nur gut genug schmeicheln. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Wir sollten endlich Tacheles reden und damit aufhören, uns etwas vorzumachen. Wir liegen weit hinten. Wären wir so toll, dann hätten wir unser heimisches Waymo und lokales Tesla (oder SpaceX oder Google oder Apple oder Uber oder Facebook). Haben wir aber alles nicht.

Eine weitere Gruppe stellen Rechtsexperten da, die einerseits vor den angeblich fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen warnen, aber auch eigentlich gelöste Fragen zu einem Elefanten aufblasen. Eine davon ist die Frage nach der Haftung. Wer soll denn bloß bei einem Unfall eines selbstfahrenden Autos haften? Dabei wird diese zu einem unüberwindlichen und beinahe schon unlösbaren Hindernis erhoben, so als ob die rechtliche Frage die eigentliche Raketentechnologie wäre, und nicht das autonome Fahren selbst. Dabei ist es schon lange gelöst und lösbar. Ist ein Algorithmenfehler Schuld am Unfall, dann kommt die Herstellerhaftung zum Zug. Ist der Unfall wegen eines defekten oder schlecht gewarteten Sensor passiert, dann gilt die Betreiberhaftung.

Ein spezieller Platz in der Hölle sollte für langhaarige (und angebliche) Philosophen reserviert bleiben, die ethische oder moralische Fragen aufwerfen, sich selbst aber Jahrhunderte aus der Beantwortung der Fragen und der Erstellung von klaren Richtlinien dazu herausgewunden haben. Und nun verlangen sie auf öffentlichkeitswirksame Weise von Ingenieuren die Lösung, denen sich Rücksichts- und Ahnungslosigkeit vorwerfen, ohne selbst Lösungen und Vorschläge beisteuern zu wollen.

Das Silicon-Valley-Mindset

Das Silicon-Valley-Mindset

»Das Silicon Valley Mindset« beschreibt, warum Menschen und Unternehmen im Silicon Valley so extrem innovativ sind und derzeit unternehmerisch dem Rest der Welt überlegen erscheinen.

Das Silicon Valley ist eine schier unerschöpf­liche Quelle an Innovationen, die immensen Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft weltweit ausüben. Viele Europäer betrachten diese Entwicklungen skeptisch und werden darin von Medien und deren Experten bestärkt, die sich in Panikmache üben und vorwiegend die Gefahren und Risiken herausstreichen. Dr. Mario Herger rückt die Dinge zurecht und zeigt: Die Innovationsmentalität aus dem Silicon Valley ist erlernbar. Anhand von Interviews und Schritt-für-Schritt-Anleitungen zeigt dieses Insider-Buch, wie die Silicon-Valley-Mentalität mit den eigenen Stärken kombiniert werden kann.

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Ein Begriff für diese Art von willfährigen Handlanger, Abiegler und Einluller ist der des Moralunternehmers. Eine Person, die dank einer neuen Technologie den Untergang der Zivilisation kommen sieht und radikale Änderungen verlangt, selbst aber keinerlei Wissen und Erfahrung damit hat und schon gar keine praktischen und realistischen Lösungsvorschläge für vermeintliche Probleme hat. Moralunternehmer sind recht einfach auszumachen: sie sind of langhaarig, männlich, blenden mit philosophischen Begriffen, fachspezifischer Terminologie oder Interpretationen von angeblich historischen Aussagen irgendwelcher Philosophen, und werden von Talkshow zu Konferenz herumgereicht, um ihre Bücher zu verkaufen und Redehonorare einzustreichen. Wer diese sein könnten fällt sicherlich jedem/jeder von uns sofort ein. Genau diese Person zum Beispiel.

Grund 5: Wettbewerbsklausel und andere Besonderheiten

In Kalifornien werden Wettbewerbsklauseln als ungültig betrachtet. Darin wird Mitarbeitern für eine bestimmte Zeit nach Ausscheiden aus dem Unternehmen verboten, bei einer anderen Firma oder für sich selbst auf diesem Gebiet zu arbeiten. Kalifornien sah das immer als Problem an, denn das käme einem vorübergehenden Arbeitsverbot gleich, das dem kalifornischen Bundesstaat Steuereinnahmen vorenthalten und die Arbeitslosenkasse belasten würde.

Diese Einstellung führt dazu, dass beispielsweise ehemalige Google-Mitarbeiter bereits eine Handvoll Unternehmen zu autonomen Fahren gegründet haben (Kodiak, Aurora) oder nun bei anderen arbeiten (Zoox, Cruise). Im Silicon Valley kommt zusätzlich noch eine Reihe weitere Faktoren hinzu, die die Gründung von Unternehmen recht einfach macht. Venture Capital, Talente und das Ökosystem von Universitäten, Forschungseinrichtungen und anderen Unternehmen fördern neue Unternehmen.

Gesamtgesellschaftlich bietet das auch den Vorteil. Einerseits werden damit viele verschiedene Ansätze zur Entwicklung dieser Technologie verfolgt, die dadurch eine höhere Chance auf Erfolg erhalten, andererseits entscheidet dann nicht nur ein Unternehmen oder manchmal sogar nur eine Person darüber, ob diese Technologie weiter entwickelt wird oder nicht. Arbeiten 10 Unternehmen daran und stoppt eines die Entwicklung, dann sind immer noch 9 andere hier um weiterzumachen. Eines wird dann schon erfolgreich sein und der Gesellschaft damit eine neue Technologie liefern.

Auch der Usus, wer das geistige Eigentum an einer Idee hält, ist im Silicon Valley anders. So behielt die Stanford Universität nicht die Intellectual Property (IP) an der Idee, dem Pagerank, ihrer zwei Doktoratsstudenten Larry Page und Sergey Brin für die Bereitstellung der Räumlichkeiten und Netzwerkzugang für ihre Suchmaschine Google, sondern sie nahm einen Anteil von über zehn Prozent am jungen Startup. Anders ist das am MIT oder den Fraunhofer Instituten. Dort bleibt das geistige Eigentum an der Uni oder dem Institut, was Ausgründungen erschwert. Wer will schon in ein Startup investieren, das nicht mal seine eigene IP besitzt sondern unabhängig vom Unternehmensergebnis schon Lizenzgebühren zahlen muss?

Zuletzt will ich noch die Stock Options erwähnen, die es Startups erlauben, auch mit geringeren Gehältern Ausnahmetalente anzuheuern. Denn diese Anteile am Unternehmen können Millionen wert sein, wenn das Startup erfolgreich ist. Und motivierte Talente wetten darauf, dass sie mit ihrer eigenen Arbeit in einem Startup mit einer vielversprechenden Idee viel Geld verdienen können. Doch dazu bedarf es einerseits eines entsprechenden gesetzlichen Rahmen, der in den USA gegeben ist, und andererseits auch der Ambition von Talenten, die bereits sind, sich auf solch ein Risiko einlassen. Alles Elemente, die in Deutschland Mangelware zu sein scheinen. Und dabei habe ich eine ganze Reihe vergessen. Aber in meinem Buch Future Angst gehe ich auf mehr dieser Rahmenbedingungen ein und versuche sie auch in einen historischen Kontext zu setzen und aufzuzeigen, was wir tun könnten, um dem entgegenzuwirken.

FUTURE ANGST

Welche aktuellen Ängste prägen uns? Mit welchen Ängsten waren die Menschen in der Vergangenheit konfrontiert, als es die heutigen Technologien noch nicht gab? Warum mischen wir heute im Wettbewerb der Kulturen um neue Technologien nicht ganz vorne mit? Welche Maßnahmen müssen wir ergreifen, um neue Technologien nicht als etwas Beängstigendes und Feindseliges zu betrachten, sondern als ein Mittel zur Lösung der großen Probleme der Menschheit? Innovationsexperte Dr. Mario Herger stellt in „Future Angst“ die entscheidenden Fragen in Bezug auf Technologie und Fortschritt und zeigt professionelle und zukunftsweisende Lösungen auf. Mit seinem Appell „Design the Future“ bietet Herger einen unkonventionellen und transformativen Ansatz für ein neues, human geprägtes Mindset.

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Grund 6: Freude am Gefahrenwerden?

Vor einigen Jahren war bei einem Fabriksbesuch beim französischen Hersteller von autonomen Shuttlebussen Navya die Aussage eines Mitarbeiters ein Augenöffner für mich. Er erwähnte so nebenbei, dass gerade mal 40 der 220 Mitarbeiter einen Führerschein besäßen.

Man vergleiche das mit traditionellen Automobilherstellern, wo fast jeder Mitarbeiter einen Führerschein besitzt, ja gar in etlichen der Unternehmen ein Führerschein Voraussetzung für eine Anstellung ist. Navya-Mitarbeiter bauen eine Lösung für sich selbst, also eine, bei der sie selbst nicht fahren und keinen Führerschein besitzen müssen. Das stimmt auch für andere Unternehmen, die an Selbstfahrtechnologie arbeiten, wie Google/Waymo.

Autounternehmen hingegen zogen traditionell potenzielle Mitarbeiter an, die selbst gern Auto fuhren. Diese bauten eine Lösung für sich selbst. So wie man bei Harley nicht erwartet, statt der knatternden und blubbernden Motorräder plötzliche leise Elektromopeds entwickeln soll. Genauso beginnt man nicht bei einem Unternehmen, für das also Motto seit Jahren „Freude am Fahren“ steht. „Freude am Fahren“ und nicht „Freude am Gefahrenwerden“.

Mit anderen Worten: es ist hier gar nicht der Wunsch vorhanden, solch eine Technologie zu entwickeln, weil das den eigenen Präferenzen widerspricht.

Grund 7: Ist Deutschland zu doof?

Haben wir zu wenig Gehirnschmalz? Definitiv nicht, denn sind doch einerseits deutsche Ingenieure bei den neuen Herstellern sehr begehrt und dort auch oft in federführender Position, andererseits zeigen sie auf beeindruckende Weise ihr Können. So gewann im Jänner 2024 das Team der TU München zum wiederholten Mal den Robocar-Rennbewerb in Las Vegas. Auch den Hyperloop-Wettbewerbg gewannen in fast schon unheimlicher Regelmäßigkeit TU München Teams. Am Gehirnschmalz mangelt es somit nicht.

Doch der höchste IQ hilft nicht, wenn man nicht will. Wenn man sich einredet, dass das nicht gebraucht wird, dass es nie und nimmer funktionieren kann, dass es die Gesetzeslage nicht erlaubt, und die Chinesen und Amerikaner uns nicht das Wasser reichen könnten. Wenn man also seine Geisteskraft einsetzt, um etwas schlecht zureden, anstelle sie einzusetzen, um die Herausforderungen der Zukunft innovativ anzupacken.

Oder wenn über diese Erfolge nicht berichtet wird. In den USA werden die Gewinner herumgereicht und von einem Interview zur nächsten Show eingeladen. Nicht nur das: auch machen manche Unternehmen den Siegerteams Angebote, denen diese nicht widerstehen können. So hatte IBM Studenten der Carnegie Mellon Universität ein Joboffer gemacht, nachdem sie mit ihrem Schachcomputer bei Turnieren Aufmerksamkeit erhalten hatten. Warum also geht nicht Siemens, Mercedes-Benz oder andere Größen der deutschen Industrie her, und keilen um die siegreichen Talente der TU München? Ich weiß es nicht. Das sie es nicht machen, ist dann doch ziemlich doof.

Hierzu abschließend noch eine Anekdote: ein mit mir befreundeter Tesla-Mitarbeiter in Fremont hatte einem Audi-Mitarbeiter, der sich beruflich verändern wollte, ein Angebot gemacht, von Ingolstadt zu ziehen um in der Fabrik in Berlin-Grünheide zu beginnen. Es war alles geregelt, bis der Audi-Mitarbeiter nochmals mit einer Rückfrage kam. Er hatte mit seiner Familie den Umzug und die neue Arbeit besprochen, und er wollte nur sicherstellen, dass er nicht länger als 18 Uhr arbeiten müsse sondern pünktlich Feierabend machen kann. Angesichts der Tatsache, dass er mit seinen Kollegen in Fremont in einer anderen Zeitzone (18 Uhr in Deutschland ist 9 Uhr früh in Kalifornien) zusammenarbeiten musste, eine Garantie, die ihm Tesla nicht geben konnte. Mein Bekannter zog daraufhin das Angebot zurück. Die Ambition des potenziell neuen Mitarbeiters war nicht gegeben, die gewohnte Firmenkultur und Arbeitserwartungen waren mit den neuen nicht vereinbar.

KREATIVE INTELLIGENZ

Über ChatGPT hat man viel gelesen in der letzten Zeit: die künstliche Intelligenz, die ganze Bücher schreiben kann und der bereits jetzt unterstellt wird, Legionen von Autoren, Textern und Übersetzern arbeitslos zu machen. Und ChatGPT ist nicht allein, die KI-Familie wächst beständig. So malt DALL-E Bilder, Face Generator simuliert Gesichter und MusicLM komponiert Musik. Was erleben wir da? Das Ende der Zivilisation oder den Beginn von etwas völlig Neuem? Zukunftsforscher Dr. Mario Herger ordnet die neuesten Entwicklungen aus dem Silicon Valley ein und zeigt auf, welche teils bahnbrechenden Veränderungen unmittelbar vor der Tür stehen.

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Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.

5 Kommentare

  1. Im Sommer 2021 wurde in Deutschland das Gesetz zum autonomen Fahren verabschiedet. Meiner Ansicht nach verhindert das Gesetz eher das autonome Fahren, als das es wie ein Katalysator zur Beschleunigung desselbigen funktionieren würde. Im Vorwort zum Gesetz ist von einer möglichen Erprobung in festgelegten Betriebsbereichen die Rede. Wozu brauchen wir im postautonomen Zeitalter noch einen Testbetrieb? Die Robotaxis von Waymo funktionieren einwandfrei und nach dem Studium der aktuellen FSD-beta-12-Videos von „Whole Mars Catalog“ gelange ich zu der Erkenntnis: Auch Tesla-Fahrzeuge werden immer mehr zu Robotaxis.

    In Deutschland hingegen geht man von der Annahme aus (Gesetz zum autonomen Fahren Punkt E1 „Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger“), dass in absehbarer Zeit Bürgerinnen und Bürger keine Halter von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion in festgelegten Betriebsbereichen sein werden. Für mich klingt das so, als gehe der Staat davon aus, dass es in Deutschland in den nächsten Jahren kein autonomes Fahren geben werde. Was muss passieren, Herr Herger, dass in Deutschland diese sinnvolle Technologie, die Menschenleben rettet und den Individualverkehr zum Wohle von Klima und Natur reduziert, eingeführt wird? Und vor allem: Was kann der einzelne Bürger dafür tun, dass es endlich dazu kommt?

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