Online-Karten sind wie Manieren. Man bemerkt sie erst, wenn sie uns abgehen. Dabei sind Online-Straßenkarten wie Google oder Apple Maps es durchaus wert, dass wir uns mit ihnen eingehender beschäftigen und die Arbeit schätzen lernen, die in sie geflossen ist. Justin O’Beirne aus San Francisco hat mich mit einem ausführlichen Blog erst so richtig in die Kunst und den Aufwand von Karten gebracht.
Dabei hätte ich vor einigen Wochen, als ich nach Düsseldorf musste, schon aufmerksamer werden sollen. Um zu wissen, wo ich mein Hotel buchen sollte, suchte ich nach der Innenstadt. Und dabei fielen mir die leicht orange eingefärbten Bereiche auf, die scheinbar die Innenstadt markierten. Auch sind mir schon länger die Hausstrukturen aufgefallen, die Google Maps anzeigt.
Genau darauf geht Justin O’Beirne in seinem Blog ein und es ist faszinierend, wie er die unterschiedlichen Schichten in den Karten offenlegt und Schlussfolgerungen für autonome Autos und in weiterer Folge auch elektrischen Fahrzeuge bringt. Und vor allem wird offensichtlich, wie weit der Vorsprung ist, den Google gegenüber allen anderen Kartenherstellern wie Apple, TomTom, Bing, Here oder Waze hat.
Gebäudestrukturen
Während alle Karten die Straßen mehr oder weniger in gleicher Qualität verzeichnet haben, so zeichnet sich Google durch viele weitere Details aus. Und das beginnt mit den Gebäuden. Auf der Gegenüberstellung sieht man den Detailgrad von Google und Apple. Nicht nur direkt an der Straße befindliche Gebäudestrukturen, sondern auch abseits davon sind zu sehen. Ebenso Parks sind bei Google Maps spezifisch eingefärbt.

Diesen Detailgrad scheint es erst seit einigen Monaten zu geben. Andere Kartenhersteller haben vereinzelt auch Gebäude, aber nur Google hat es offensichtlich bis dato für fast alle Städte geschafft. Und das bedeutet auch Dörfer mit einem Dutzend Einwohner. In die Karten fließt dabei eine Unzahl von Datenquellen ein, die diesen Detailreichtum ermöglichen. Neben Kartendaten lässt Google Street-View-Autos herumfahren. Die USA beispielsweise sind damit zu 99 Prozent abgedeckt, nach mehr als sieben Jahren. Von den so aufgenommen Bildern werden auf verschiedene Weise weitere Informationen extrahiert. Durch reCAPTCHA beispielsweise Hausnummern und Geschäftslokalnamen.
Geschäftszonen
Die Gebäudedetails aber kommen offensichtlich von den Satellitenbildern, denen mithilfe künstlicher Intelligenz die Informationen auf die Karten übertragen werden. Das Nebenprodukt der Satelliten- und Street-View-Bilder sind somit die Gebäude und Geschäftsinformation.

Eine weitere Anreicherung geschieht durch Adressdaten von Geschäftslokalen und Restaurants, die Google durch Websiteinformationen bereits hat. All das lässt als ein Nebenprodukt von diesen beiden Nebenprodukten Google solche Geschäftszonen oder Stadtteile von höherem Interesse in den Maps markieren.

Genau das kann Google machen, weil sie ungleich Apple, das seine Kartendaten von TomTom bezieht, alle Daten aus eigenen Quellen bezieht. Und damit derivative Informationen erstellt werden können, die die Lizenzbedingungen von TomTom verbieten.

Und damit kommen wir wieder auf die Düsseldorfer Innenstadt und die orange Einfärbung zurück. Eine hohe Anzahl an Geschäftslokalen und Restaurants zeigt Straßenzüge an, die Geschäftsstraßen zu sein scheinen, und damit von Interesse für Besucher. In ihrer Masterarbeit Visualizing Mental Maps of San Francisco (Visualisierung von mentalen Straßenkarten von San Francisco) haben Rachelle Annechino und Yo-Shang Cheng 2011 insgesamt 22 Bewohner von San Francisco gebeten, eine Landkarte von San Francisco zu zeichnen. Dabei erkannten sie, dass Menschen sich nach Straßenzügen orientieren, die eben solche Geschäftslokale und Restaurants aufweisen. Ausgehend von diesen navigieren die Menschen dann in der Stadt.
Und genau danach suchte ich selbst, um mir ein Hotel in Düsseldorf zu wählen. Ich wollte es möglichst nah zur Innenstadt haben.
Autonome und elektrische Autos
Diese Detailreichtum wiederum kommt anderen Konsumenten zugute. Nämlich selbstfahrenden Autos oder Elektrofahrzeugen. Eine Adresse mag nicht immer genau genug den Abholpunkt für einen Passagier anzeigen. Zu wissen, wo die Treppen des Hauseingangs sind, oder dass der eigentliche Eingang in einer Nebenstraße der angegebenen Adresse liegt hilft dem Robotertaxi den Passagier leichter zu finden.
Auch für Elektrofahrzeuge ist diese Information wertvoll. Zu wissen, wie gut man an die Ladestation herankommt, durch welche Einfahrt, ob sie entsprechende Anschlüsse und Ladegeschwindigkeiten haben, welche Ladekarten akzeptiert und zu welchen Zeiten sie in Betrieb sind, können Elektromobilisten einigen Frust ersparen.
3D Landkarten
Als neueste Information werden von Google nunmehr 3D-Daten aus den Aufzeichnungen ermittelt. Das sieht man bereits, wenn man sich die Satellitenbilder ansieht. Verschiebt man die Karte kann man Perspektiven erkennen. Hier ist ein Video, das Google veröffentlichte.
All diese Fakten erklären warum Google allen anderen Straßenkarten- und Navigationssystemherstellern so weit voraus ist. Die Konvergenz von so vielen Technologien und Anstrengungen, die riesige aktualisierte Datenmengen generieren, erlauben Google erst diese Informationsdichte und gibt ihnen einen unglaublichen Vorsprung bei der Entwicklung autonomer Autos.
Dabei fließen andere Technologien noch gar nicht so richtig hinein. Google betreibt einen aufwendigen Simulator, um seine Robotertaxis zu entwickeln und besser in Städten fahren zu lassen. Sobald wir hier eine Konvergenz der Technologien und Daten sehen, welche Art von Dienstleistungen werden wir dann erst sehen?
Eine viel ausführlichere Beschäftigung mit Straßenkarten gibt es auf Justin O’Breines Blog.
Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.
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