Tödlicher Unfall: Was gaukelt uns BMW beim autonomen Fahren eigentlich vor?

Ein tödlicher Unfall in Römerstein zwischen Reutlingen und Ulm mit einem BMW sorgte für Schlagzeilen. Nicht nur starb eine Person, neun weitere wurden schwer verletzt und mussten mit Ambulanzen und Notarzthubschraubern ins Krankenhaus gebracht werden.

Für einige Verwirrung sorgten allerdings die Aufkleber auf dem BMW iX. Einer war die Aufschrift „ELECTRIC TEST VEHICLE“, der andere enthielt – wie im Titelbild abgebildet – das BMW-Logo, ein Kamerasymbol, eine QR-Code und darunter einen Link www.bmw.com/autonomousdriving.

Was vermutet als ein unbedarfter Beobachter oder eine Einsatzkraft, die vor Ort das Auto sichern und mögliche Passagiere befreien muss? Dass es sich bei dem Fahrzeug wohl um ein Elektroauto handeln würde, das autonom fahren könne. Damit greifen bei Einsatzkräften mindestens zwei Prozeduren:

  1. Sicherung eines Elektroautos, das bei einem Unfall zu einen Batteriebrand mit spezifischem Brandverhalten hinausführen kann, und wo die entsprechenden Verkabelungen abgezwickt werden müssen.
  2. Sicherstellung, dass das autonome Auto in dieser Situation nicht unerwartet reagiert, wie etwa anzufahren versucht.

Training an autonomen Autos

In den USA beispielsweise müssen Hersteller autonomer Fahrzeuge vor dem Betrieb ohne Sicherheitsfahrer ein Training mit den lokalen Einsatzkräften vornehmen, damit diese wissen, wie sie mit dem Fahrzeug im Falle des Falles umgehen müssen und was zu erwarten ist. So haben Waymo, Embark und andere Trainingsvideos und -unterlagen veröffentlicht.

Ein Polizist, Sanitäter oder Feuerwehrmann, der somit zu diesem Unfall kommt, wird Aufkleber wie den zum autonomen Fahren ernst nehmen. Doch dass die Einsatzkräfte in Deutschland schon am Umgang mit autonomem Autos geschult sind, ist bislang nicht bekannt. Der Aufkleber kann damit zu Verwirrung führen, wie in den Meldungen zum Unfall auch zu erkennen war. Alle Medien berichteten von einem Unfall mit einem „autonomen Auto“. Diese Verwirrung kann am Unfallort zu Verzögerungen und damit Schaden an Unfallbeteiligten führen, wenn die Einsatzkräfte erst herausfinden müssen, wie mit solche einem Fahrzeug vorzugehen war.

Autonomes Fahren oder was?

Erst mit Verzögerung stellte dann BMW nachdrücklich in einer Mitteilung fest, dass es sich im vorliegenden Fall um kein autonomes und schon gar nicht um ein autonom fahrendes Auto gehandelt habe. Im Auto befand sich nur ein Level 2-Fahrerassistenzsystem, bei dem ein Fahrer jederzeit Kontrolle und Übersicht behalten muss. Das heißt, dass es einen Fahrer im Fahrzeug gegeben haben muss, und dass das Auto manuell gesteuert worden war. Ein Mensch hat den Unfall verursacht.

Folgt man dem Link des Aufklebers, dann wird man auf einen anderen Link in Englischer Sprache umgeleitet, der besagt „Data Processing automated Vehicles“, auf deutsch „Datenverarbeitung automatisierter Fahrzeuge“. Wird man daraus schlauer? Nicht ganz. Passiert die Datenverarbeitung im Auto? Erst das Umschalten auf die deutsche Version scheint klarer zu stellen, worum es sich handelt: es ist vor allem ein Datenschutzhinweis. Das Fahrzeug erfasst durch verschiedene Sensoren Daten und mit viel Blabla wird erklärt, wie sehr sich BMW um den Datenschutz und die Sicherheit seiner Fahrzeuge und neuen Technologien bemühe.

Mit anderen Worten: statt http://www.bmw.com/datenschutz auf den Aufkleber zu schreiben, verschleiert man das lieber, weil es nicht so toll klingen und vor allem die Anrainer aufbringen würde, wenn sie verstünden was da genau geschieht. Stattdessen schreibt man lieber autonomousdriving auf Englisch drauf.

SORRY NOT SORRY

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Wer benutzt diese Autos eigentlich?

Damit ergibt sich aber eine weitere Frage: ein solches mit teils sehr teuren Sensoren bestücktes Erprobungsfahrzeug war nicht mit den beispielsweise in den USA vorgeschriebenen Sicherheitsfahrer und manchmal einem weiteren Ingenieur besetzt, sondern schien vier erwachsene Personen und ein eineinhalbjähriges Kleinkind an Bord gehabt zu haben. Alle wurden bei dem Unfall verletzt.

Wie ist das möglich? Inwieweit ist es bei BMW üblich, speziell ausgestattete Erprobungsfahrzeuge für den scheinbar privaten Einsatz zu benutzen? Um wiederum den Vergleich mit den USA zu machen: dort werden ab einer bestimmten Entwicklungsphase der Technologie Mitarbeiter angehalten, die Fahrzeuge sowohl für dienstliche als auch private Fahrten zu benutzen. Allerdings immer nur als Passagier, bei der nach wie vor ein Sicherheitsfahrer an Bord ist. Erst in einer weiteren Phase – mit entsprechender Lizenz – darf auf den Sicherheitsfahrer verzichtet werden.

Was hat BMW nun wirklich an Technologie?

Nachdem BMW so vehement verneint hatte, dass es sich beim Unfallverursachenden Auto um ein autonomes Fahrzeug gehandelt habe, stellt sich nun die Frage, was genau BMW an Technologie eigentlich hat und wieso es überhaupt solch irreführenden Aufkleber an diesen Autos anbringt?

Fahrzeuge mit solchen Aufklebern wurden bereits mehrmals gesichtet (hier, hier, hier, hier oder hier). Denen fehlten meistens die sonst in den USA und China üblichen sichtbaren Sensoren, dafür aber hatten sie immer sehr brav diese Aufkleber. Waren das alles Data Processing-Fahrzeuge? Ist das bislang alles Schimäre, was BMW an autonomen Fahren vorzuweisen hat? Klebt man das den Fahrzeugen auf, um der Öffentlichkeit Fortschritt vorzugaukeln, den man selbst gar nicht hat? Und führt man damit beabsichtigt oder unbeabsichtigt Einsatzkräfte in die Irre, die möglicherweise beim Einsatz Zeit verlieren, weil die Aufkleber Sachen vorspiegeln, die ein anderes Verhalten erfordern würde?

All diese vorgaukelnden Aufkleber lassen uns nun auch noch am zweiten Aufkleber zweifeln: war das überhaupt ein Elektroauto von BMW? Oder gaukelt uns BMW das auch vor, weil momentan alle so geil auf Elektromobilität sind und BMW da nicht auf dem Abstellgleis stehen will? Man möchte es anhand der Strategie der Technologieoffenheit fast meinen.

Bonus: Der geplatzte Mythos deutscher Sorgfalt

Man wird das Gefühl nicht los, dass selbst der kleinste Parkschaden, der einen Tesla involviert, sofort großes Mediengedöns hervorruft, weil da doch sicherlich der Autopilot schuld gewesen sein musste. Und damit ereifert sich rasch die deutsche Öffentlichkeit daran, wie rücksichtslos und gesetzverachtend sich amerikanische Unternehmen verhalten würden und Menschen gefährden. Auch wenn oft vermeintliche auf den Autopilot geschobene Unfälle letztendlich menschliches Versagen und der Autopilot gar nicht aktiviert war.

Das pflegte den Mythos, dass deutschen Herstellern das nicht passieren könnte, denn sie würden sich an Gesetze halten und vor allem nur unter größten Sicherheitsauflagen ihre Tests machen. Und der ist nun dahin, denn die Schlagzeile lautete nun mal „Autonomes Auto verursacht tödlichen Unfall“ – und das stammte von BMW.

Tatsächlich ist die Verwendung irreführender Aufkleber wie des „www.bmw.com/autonomousdriving“ eher ein Zeichen von fehlender Sorgfalt.

Zusammenfassung

  • Ein Erprobungsfahrzeug von BMW verursachte in Deutschland einen tödlichen Unfall;
  • Das Fahrzeug hatte einen Aufkleber „www.bmw.com/autonomousdriving“;
  • Das Fahrzeug ist aber verwirrenderweise kein autonomes Auto;
  • Das Fahrzeug war manuell gesteuert worden
  • Der Fahrer scheint ein solches mit Sensoren bestücktes Erprobungsfahrzeug zu privaten Fahrten verwenden zu dürfen;
  • Die am Fahrzeug angebrachten Aufkleber sorgen bei Beobachtern und Einsatzkräften für Verwirrung, um welchen Typus von Fahrzeug es sich wirklich handelt;
  • BMW hat scheinbar keine fortgeschrittene autonome Fahrtechnologie vorzuweisen

Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.

8 Kommentare

  1. Die Zeit diesen Artikel zu verfassen, hätten Sie sich sparen können. Der Hinweis ist gesetzlich vorgeschrieben und „Autonomous Driving“ beschreibt lediglich den Kontext – Details (und das sind mehr als Sie hier selektiv aufgeführt haben) gibt es wenn man dem Link folgt. Als Anwohner oder auch nur passant wäre ich irritiert stünde da nur ein Kamera Symbol und der Hinweis dass das Auto die Umgebung aufzeichnet, der Hinweis auf den Anlass ist richtig und wichtig (Daten Sammeln um autonomes fahren irgendwann zu ermöglichen)

    Abgesehen davon, finde ich es verwerlich und pietätlos diesen schrecklichen Unfall bei dem viele schwer verletzt und ein Mensch getötet wurde für Ihre eigene Sache zu instrumentalisieren. Die Autohersteller (alle) haben genug Dreck am stecken, es gäbe genug über was man schreiben konnte. Das hier musste nun wirlich nicht sein, Herr Herger!

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    1. Wenn man die Öffentlichkeit irreführen will, dann schreibt man drauf „autonomous driving“ und nciht, worum es sich eigentlich handelt: „Datenerfassung“
      Nicht nur die Öffentlichkeit wird irregeführt, sondern auch Einsatzkräfte, die damit nicht wussten, wie sie sich bei einem solchen Auto verhalten sollen.
      Der Artikel ist also nun pietätlos, nicht der BMW-Fahrer, der den Unfall verursacht hat? Du hast schon eine ziemlich merkwürdiges Verständnis der Welt.

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      1. >Der Artikel ist also nun pietätlos, nicht der BMW-Fahrer, der den Unfall verursacht hat?

        Ist Ihnen die Bedeutung des Wortes „pietätlos“ geläufig? Der Satz macht in diesem Kontext leider überhaupt gar keinen Sinn.

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      2. Mache ich mich über die Opfer lustig? Nein, mit keinem Wort.
        Ich prangere BMW an, dass es mit seinen Aufklebern und unklaren Angaben eher dazu führt, dass Einsatzkräfte in ihrer Arbeit verwirrt werden und damit Hilfe zu spät kommen kann.
        Wenn jemand zynisch und pietätlos ist, dann ist es BMW, nicht ich, der hier BMW wegen dieses Unfalls und der Umstände kritisiert.
        Aber das wird Dir sicherlich nicht entgangen sein und Du hast vermutlich auch etwas zu BMWs Verhalten selbst zu sagen, vermute ich mal?

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      3. Noch ein Nachtrag: die „Umstände“ von denen sie sprechen sind laut den Medienberichten noch nicht bekannt und werden durch die Ermittler gemeinsam mit der Unfallforschung von BMW ermittelt. Wissen sie mehr? Dann bitte her damit, zur Abwechslung mal Fakten wäre doch mal was neues.

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  2. Ich habe leider auch den Eindruck, dass der Artikel eine Spur zu reißerisch ist und damit Glaubwürdigkeit verspielt.

    Was sollen z.B. die „Spekulationen“ darüber, ob es sich überhaupt um eine Elektroauto gehandelt habe, wenn Sie das doch ganz klar wissen (der iX oder was davon übrig ist, ist ja sehr charakteristisch).

    Wo Sie Recht haben: das ganze „Testfahren“ bei den Autoherstellern ist ein großes Theater, und die Aufkleber sind ein Teil davon. Da werden hochmotorisierte 6er Cabrios am Wochenende zum Gardasee ausgefahren, „um das Radio zu testen“.

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    1. Es ist mindestens genauso reißerisch, auf ein Auto, das nicht autonom fahren kann, einen Aufkleber zu haben, dass es ein autonomes Auto ist. Wenn man da einmal lügt, wo dann noch überall? Elektroauto?

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