Bislang waren Elon Musks Worte zum vollautonomen Autopiloten eher vollmundig gewesen, nun scheint es aber mit dem für nächstes Jahr angepeilten Autopilot 10 ernst zu werden. Zumindest was die Beta-Tests angeht.
In einer firmeninternen E-Mail sucht Tesla-CEO Musk nun nach 100 weiteren Mitarbeitern, die bereit wären, ihre privaten Tesla für Beta-Tests zu verwenden und 300 bis 400 Stunden an Fahrerfahrung an Tesla zurückmelden. Als Anreiz wirbt Musk mit bis zu 13.000 Dollar an Kostennachlass für das Auto.
Tesla wollte bereits Ende 2017 demonstrieren, wie ein Tesla von Los Angeles nach New York vollautonom ohne Eingriff eines Fahrers fährt. Dieser Termin wurde nicht eingehalten und mehrmals verschoben, Musk kündigt ihn nun für die Alpha-Version des Autopilot 10 an. Nicht geholfen haben die Abgänge von namhaften Mitarbeitern aus der Autopilotgruppe. Ein Video zeigte im November 2016 ein Fahrzeug von Los Altos ins Hauptquartier nach Palo Alto ohne Eingriff des Fahrers fahren, allerdings auf einer nur wenige Meilen langen Strecke.
Der Autopilot bislang ist ein Fahrerassistenzsystem, mit der Version 10 wird er aber als vollautonomes Fahrsystem angepeilt. Die Kerze, die zur Glühbirne wird.
Seit Mitte Oktober 2016 wurden in alle Tesla Model S, X, und nun Model 3 (bis dato knapp 300.000 Autos) das Autopilot Hardware Kit 2 eingebaut, das aus 8 Kameras, Radar, Ultraschallsensoren und NVIDIA GPUs besteht, allerdings ohne LiDAR. Tesla meint, autonomes Fahren auf Level 4 ohne LiDAR auszukommen. Die Mehrheit der Unternehmen und Experten, die selbstfahrende Autos entwickeln, sehen LiDAR heute als unabkömmlich, wenn auch noch sehr sehr teuer. Tatsächlich gibt es aber einige Startups, die autonomes Fahren ohne LiDAR entwickeln, oder meinen, vor allem mit Kameras auskommen zu können. Prominente Beispiele sind AutoX und Comma.ai.
Man muss sich das übrigens auf der Zunge zergehen lassen. In den Teslas ist heute schon Hardware im Wert von geschätzten 2.000 Dollar verbaut, die softwareseitig nicht funktionsfähig ist (und es gar nicht so sicher ist, dass die Software bereitgestellt werden kann). Das würde bei einem großen Autohersteller so sicherlich nie genehmigt werden. Tesla aber kann das machen, weil Elon Musk! So einfach!
Seit April 2017 können Tesla-Besitzer mit ihrer Zustimmung Tesla erlauben, jedes Monat mehrere Gigabyte an Fahrdaten und Videos herunterzuladen. Die kann Tesla dann zum Trainieren seiner Maschinenlernsysteme verwenden und den Autopilot und das vollautonome Fahrsystem entwickeln und verbessern. Selbst wenn nur ein Drittel der bisherigen weltweiten Tesla-Kunden die Zustimmung nach der Datensammlung gegeben haben, so sind das bereits 100.000 Autos. Und eine solche Menge an Autos, die jedes Monat zusammen Petabytes an Daten an Tesla liefern, unter allen Fahrbedingungen in Nordamerika, Europa und Asien, sind nicht zu unterschätzen.
Mit dem Stand der Technik scheint vollautonomes Fahren ohne LiDAR – das dabei hilft den Raum und die Objekte in 3D abzubilden – heute noch nicht zu gehen, allerdings kommen – so das Argument – auch Menschen ohne LiDAR und nur mit Vision aus. Die Wette die Tesla hier einzugehen scheint, ist, dass seine Maschinenlernsysteme dank der eingesetzten Sensoren mittels Sensorfusion schneller vollautonomes Fahren mit 3D-Vision entwickeln, als der Preisverfall der LiDARs es anderen Herstellern erlaubt. Es ist ein Wettrennen: sind die LiDARs rascher billig genug, damit wir starten können, oder ist die Software ohne LiDAR zu verwenden rascher fertig?
Sofern das gelingt – und die Betonung liegt auf sofern – dann hat Tesla mit einem Schlag hunderttausende vollautonome Autos auf den Straßen und würde sich damit in eine Top-Position katapultieren und den Markt abräumen können. Und es würde eine Reihe von Unternehmen, die sich auf LiDARs verlassen, diese fallen lassen und den Tesla-Ansatz versuchen. Das Urteil steht aber noch aus.
Die Suche nach Beta-Testern innerhalb der Firma für das autonome Fahren, könnte ein Anzeichen sein, dass man bei Tesla zuversichtlicher geworden ist, autonomes Fahren auf diese Weise – ohne LiDAR – lösen zu können. Nur ein Anzeichen, aber möglicherweise der erste Blick auf ein technologisches Kippen.
Hier ist übrigens ein Video, wie der heutige Autopilot eine Stadt wie Paris sieht:
Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.
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