Anfang Februar ist der Moment, wo die kalifornische Verkehrsbehörde DMV ihren alljährlichen Disengagement Report veröffentlicht, oder genauer gesagt, die dazugehörigen Daten. Von den aktuell knapp 50 Unternehmen, die eine Lizenz für das Testen von autonomen Autos auf öffentlichen Straßen in Kalifornien haben wird ein sogenannter Disengagementbericht verlang. Diesen gibt es seit einigen Jahren, ich habe die Jahre 2015, 2016, 2017, 2018, 2019 und 2020 dokumentiert.
Die Lizenzinhaber müssen dabei jedes Jahr angeben, wie viele autonome Test- und kommerzielle Fahrzeuge sie vom 1. Dezember bis 30. November in Betrieb hatten, wie viele Meilen bzw. Kilometer sie gefahren sind, und wie viele Disengagement es gab. Ein Disengagement ist dabei als das Ereignis zu beschreiben, bei der das autonome Fahrzeug entweder nicht mehr weiter wusste und die Kontrolle an einen im Fahrzeug anwesenden Sicherheitsfahrer übergab, oder wenn ein Sicherheitsfahrer die Kontrolle selbst übernahm. Letzteres dann, wenn beispielsweise das Fahrzeug dabei war einen Fehler zu machen oder aus einer Verkehrssituation nicht mehr herausgefunden hatte.
Man erkennt bereits an dieser Definition, dass es im Ermessensspielraum der Lizenznehmer liegt, was als Disengagement berichtet wird. Oftmals übernimmt ein übereifriger Sicherheitsfahrer die Kontrolle, wo sich in der Simulation dann herausstellt, dass das Fahrzeug diese Situation doch selbst gemeistert hätte. Auch sind auf Autobahnen weniger Eingriffe zu erwarten, als in Vororten oder in Städten wie San Francisco, wo sich viele unterschiedliche Verkehrsteilnehmer tummeln. Insoferne sind die von den Unternehmen berichteten und veröffentlichten Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Ich interpretiere und bringe sie aber trotzdem, weil Kalifornien aktuell die einzige Region der Welt ist, wo wir solche Daten öffentlich vorliegen haben, und sie einen kleinen Einblick in den Fortschritt und den Stand der Entwicklung autonomer Fahrzeuge bieten.
Insgesamt haben 26 Unternehmen Daten für das ganze Jahr (1. Dezember 2020 bis 30. November 2021) berichtet, zwei weitere (Inceptio und Uber) ebenso, doch wurde Uber (UATC) an Aurora verkauft und erscheint somit nicht mehr auf. Ein weiters Unternehmen (Imagry) hat keinen Bericht vorgelegt und verlor daraufhin in Konsequenz die Lizenz. Einige andere Unternehmen berichteten entweder keine Aktivitäten oder mussten keinen Bericht abliefern, deshalb sind in der folgenden Analyse 26 Unternehmen vertreten. Weiters haben aktuell 7 Hersteller die Lizenz auch ohne Sicherheitsfahrer die Fahrzeuge zu betreiben, ein achtes Unternehmen (Pony.AI) hatte diese Lizenz im Herbst 2021 verloren.
Berichte mit Sicherheitsfahrern
Zuerst mal geht es um die Berichte zu Fahrten mit Sicherheitsfahrern im Fahrzeug. Insgesamt waren 1.175 autonome Fahrzeuge in Kalifornien im Zeitraum in Betrieb gewesen. Die meisten hatte Waymo mit 693 Vehikeln in Betrieb, gefolgt von Cruise mit 138.

Alle Hersteller zusammen legten insgesamt 6.482.960 Kilometer (4.051.850 Meilen) zurück. Die meisten Kilometer erreichte mit 3.721.349 Kilometern Waymo, gefolgt von Cruise mit 1.401.768 Kilometern.

Die Anzahl der Disengagements variiert bei den Herstellern, die Berechnung über die Anzahl der gefahrenen Kilometer zeigt dabei ein interessantes Bild. So berichtete Waymo für das Jahr 2021 ein Disengagement pro 12.744 Kilometer, was nun viermal häufiger vorkommt als 2020, wo das Unternehmen auf 47.911 Kilometer pro Disengagement kam. Das dürfte damit zu tun haben, dass Waymo den Schwerpunkt der Fahrten um das Hauptquartier in Mountain View nun gänzlich nach San Francisco verlegt hat. So sind alle Fahrzeuge in Mountain View und Umgebung verschwunden (sie Bericht), dafür aber zumindest zwei Depots in San Francisco eröffnet worden. Und San Francisco ist ein wesentlich komplexeres Pflaster für autonome fahrzeuge (und menschliche Fahrer), als Mountain View.
Ein weiterer Grund für die häufigeren Eingriffe bei Waymo ist laut Angaben auch der Umstellung auf einen neuen Fahrzeugtyp. Waren bislang vor allem Chrysler Pacifica Minivans das Arbeitspferd der Flotte, so sind es nun die vollelektrischen Jaguar iPace. Da scheint es etwas mehr Herausforderungen gegeben zu haben, als vermutlich erwartet.

Cruise, eine Division von GM, wiederum hat von Anfang an in San Francisco die Entwicklung seiner Fahrzeuge vorangetrieben. Die Disengagementrate von einmal pro 66.751 Kilometer scheint darauf hinzuweisen. Diese sank vom Vorjahr mit 45.632 Kilometern um fast 50 Prozent. Dafür hat sich das in China basierte Start-Up AutoX mit 80.173 Kilometern pro Disengagement an die Spitze gesetzt. Das Unternehemn ist aber nur ein 46-stel der Distanz von Waymo gefahren und berichtet nur ein Disengagement überhaupt. Ähnliches ist bei Argo.AI zu verzeichnen. Auch dort wurde nur ein einziges Disengagement gemeldet.
Fahrerlose Berichte
Vier Unternehmen (Apollo, Cruise, Nuro und Pony.AI) berichteten fahrerlose Fahrten. Insgesamt spulten diese vier Unternehmen 39.972 Kilometer im Vergleichszeitraum ab.
Meilen | Kilometer | |
Apollo (Baidu) | 9.565 | 15.303 |
Cruise | 6.366 | 10.185 |
Nuro | 9 | 15 |
Pony.AI | 9.043 | 14.469 |
24.982 | 39.972 |
Pony.AI hatte einen Unfall, der den DMV veranlasste, dem Unternehmen die Lizenz zu entziehen. Wir können allerdings sehen, dass bereits beeindruckende Distanzen von fahrerlosen Fahrten zurückgelegt worden sind.
Weitere Details
Auch dieses Jahr scheint Tesla nicht auf, und der Grund liegt in der Definition, was als autonomes Testfahrzeug gilt. Tesla interpretiert bislang die FSD Beta, die mittlerweile bei ca. 60.000 Kundenfahrzeugen Einsatz findet, im aktuellen Stand als Fahrerassistenzsystem, für das keine Berichterstattung an den DMV notwendig ist. Kalifornien arbeitet soeben daran, diese Interpretationslücke zu schließen.
Apple wiederum scheint mit dem heutigen Stand der Entwicklung kein Mitbewerber zu sein, mit dem in nächster Zeit gerechnet werden muss, zu weit sind die Zahlen von den Spitzenunternehmen entfernt. Interessant ist zu sehen, dass sehr viele chinesische Unternehmen vorne mitmischen und signifikante Aufwände hineinstecken. So hat AutoX in China mittlerweile 1.000 Fahrzeuge in Betrieb.
Conclusio
Wir sehen eine Verdichtung des Felds, steigende Kilometerleistungen pro Disengagement, aber auch Herausforderungen, die Fahrten in neuen Städten und Regionen und mit neuen Fahrzeugen den Unternehmen bieten. Besonders erfreulich sind die erstmalige Inkludierung der fahrerlosen Fahrten zu sehen. Auch wenn es diesmal „nur“ 40.000 Kilometer waren, so ist mit dem kommenden Jahr ein großer Sprung zu erwarten, da Waymo davor steht seinen fahrerlosen Robotaxibetrieb in San Francisco aufzunehmen, und Cruise vermutlich den bisher auf zwischen 23 und 5 Uhr beschränkten fahrerlosen Betrieb ausweiten wird können.
FUTURE ANGST
Welche aktuellen Ängste prägen uns? Mit welchen Ängsten waren die Menschen in der Vergangenheit konfrontiert, als es die heutigen Technologien noch nicht gab? Warum mischen wir heute im Wettbewerb der Kulturen um neue Technologien nicht ganz vorne mit? Welche Maßnahmen müssen wir ergreifen, um neue Technologien nicht als etwas Beängstigendes und Feindseliges zu betrachten, sondern als ein Mittel zur Lösung der großen Probleme der Menschheit?
Ab sofort erhältlich im Buchhandel, beim Verlag und bei Amazon.
Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.
In den Graphen taucht Apple je 2 mal auf. Wie kommt’s?
LikeLike
Danke, das zweite Apple sollte DiDi sein, ist nun korrigiert.
LikeLike